Topchter der Köingin Tess 1
ich es schaffte, uns so weit zu trennen, dass ich mich daran erinnern konnte, was ich eigentlich wollte, kam ich wieder durcheinander und musste von vorn anfangen. Es war frustrierend, und nur das Wissen, dass ich es schon einmal geschafft hatte, ließ mich überhaupt weitermachen.
Allmählich begann ich zu verstehen. Er war hungrig. Er war hungrig und fror. Seine Hüfte schmerzte, weil er darauf geschlafen hatte, und er hatte sich einen Zehenballen aufgerissen. Aber Banners Triebe waren viel komplizierter als die Suche einer Maus nach Futter und Wärme. Er besaß die Fähigkeit, Schlüsse zu ziehen und zu lernen, dass er ein Ergebnis erzielen konnte, indem er eine Handlung ausführte, die damit scheinbar keinerlei Zusammenhang hatte. Es war seine Fähigkeit zu spielen, die ich mir zunutze machen musste.
Er winselte, und ich spürte, wie mir zugleich ein Seufzen entschlüpfte. Diese enge Verbindung machte mir Angst, und ich riss die Augen auf. Der Anblick der glatten Mauer erschreckte mich beinahe. Ich hatte halb erwartet, Banners zottelige Schnauze und sein raues Fell vor mir zu sehen. Ich vergewisserte mich, dass das Ende des Seils sich frei entrollen und nicht verheddern würde, und schleuderte so viele Schlaufen wie möglich über den Rand der Mauer.
Ich stöhnte vor Anstrengung, fand das Gleichgewicht wieder und sah zu, wie das Seil in einem leichten Bogen emporflog. Mit leisem Rascheln glitt es über die Mauer. »Nimm es, Banner«, flüsterte ich und hoffte, dass das Seil auf der anderen Seite tief genug hing und er es erreichten konnte. »Nimm es und zieh. Komm, wir spielen Tauziehen.« Ich packte die groben Stränge des Seils fester. »Nimm es mir weg, Junge. Versuch es nur. Zieh.«
Ich hielt den Atem an, als mir mehrere Knoten ruckartig durch die Finger glitten. Er tat es! Banner war ein schwerer Hund, doch mein Gewicht würde er allein nicht halten können. Ich musste ihn dazu bringen, das Seil um den Baumstumpf zu wickeln, falls die Misdever Gardisten faul genug gewesen waren, einen Stumpf zurückzulassen.
Vom Tor drang dumpfes Gebrüll herüber, und ich warf rasch einen Blick die Straße entlang. Ich hatte meine Ablenkung, doch zu welchem Preis? Ich schloss meine Gefühle energisch weg und konzentrierte mich. Dieses Unterfangen war so gut wie unmöglich, obwohl Kavenlow Banner daran gewöhnt hatte, vom Gift unterstützte Befehle anzunehmen.
»Banner«, flüsterte ich vor mich hin und stellte mir die verstümmelten Überreste meines Baumes vor. »Bring mir das Seil. Komm schon, mein Junge. Ich verstecke mich hinter dem Baumstumpf.«
Der Gedanke, dass ich geduckt hinter dem Baumstumpf hockte, machte Banner schier verrückt. Er bellte laut und hoch zur Begrüßung. Das Seil erschlaffte. Ich spürte, wie er verwirrt auf der Stelle trippelte, und seine Enttäuschung war so gewaltig, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, weil ich ihn derart manipulierte. Ich schob mein Mitleid beiseite und versuchte es noch einmal. »Hol das Seil, Banner«, flüsterte ich und formte den Gedanken, dass er still sein und das Seil zwischen die Zähne nehmen sollte. »Ich verstecke mich. Gleich hinter dem Baumstumpf. Bring mir das Seil, dann können wir spielen. Hol das Seil, Banner. Nimm das Seil.«
Seine Verwirrung wich neuer Hoffnung, und ich verstärkte seinen Gedanken, dass ich ihn streicheln und ihm sagen würde, was für ein guter Hund er war, wenn er mit dem Seil im Maul zu mir kam. Ich stellte mir vor, wie er gerade so meine Zehenspitzen hinter dem Baumstumpf verschwinden sah. Ich hörte ein freudiges Bellen. Mein Puls raste. Er war so aufgeregt, dass ich nicht feststellen konnte, ob er das Seil noch zwischen den Zähnen hatte oder nicht.
»Zieh, Banner«, sagte ich. »Na los. Versuch, mir das Seil wegzunehmen.«
Ich zupfte am Seil. Mir sank der Mut, als es sich frei bewegte. Ich zog erneut, bis es hängen blieb. Ermutigt hielt ich die Luft an. Ich hatte es erst ein wenig spannen müssen, das war alles. Banner hatte es tatsächlich um den Baumstumpf gewickelt. Hoffte ich.
Mit schweißnassen Händen packte ich das Seil. Meine Lippen bewegten sich in einem stummen Gebet, und ich zwang mich, Banner und meiner unsichtbaren geistigen Arbeit zu vertrauen. Das Seil hielt, als ich mein ganzes Gewicht daran hängte. Ich setzte einen Fuß gegen die Mauer, balancierte mich aus, zog mich einen Schritt empor und dann noch einen. Meine Arme schmerzten von der Anstrengung und der einsetzenden Lethargie durch das Gift, aber
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