Topchter der Köingin Tess 1
Der Wächter stand unbehaglich und steif neben ihm. Jeck runzelte die Stirn, glättete sie sogleich wieder und faltete das Blatt Papier zusammen. Er hob den Blick zu Thadd und Duncan.
Duncans so gelassene Haltung wich einer gefährlichen, aufgeregten Anspannung. Mein Atem beschleunigte sich, als ich sah, wie er begriff, dass sie bereits ertappt worden waren. Die beiden Männer starrten einander über die Köpfe der Menge hinweg an. Duncans Schultern wurden steif, als er erkannte, dass er unmöglich fliehen konnte. Jecks Auge zuckte, und Duncan biss sichtlich die Zähne zusammen, als er offenbar stumm akzeptierte, was auch immer die beiden eben wortlos geklärt hatten.
»Holt sie hier herein«, befahl Jeck, den Blick fest auf Duncan geheftet, und die versammelten Neugierigen murmelten aufgeregt. Ich zog den Kopf ein.
»Aber, Hauptmann …«
»Holt sie rein«, wiederholte Jeck und stopfte dem Wächter zornig den Brief zurück unter die Jacke. »Sie haben ein Dokument mit der Unterschrift des verstorbenen Königs Stephen. Selbstverständlich erkennen wir es an. Nehmt eine ganze Abteilung, um die Menge zurückzuhalten, aber ich will die beiden hier drin haben.« Er beugte sich vor. »Auf der Stelle.«
Sie waren gefangen. Ich hatte gewusst, dass es so kommen würde, und schnaufte frustriert, als die Gardisten in zwei Reihen durch das kleine Wachtor in der Mauer ausrückten. Die Leute wichen freiwillig zurück, und ich wurde wieder an den Rand gedrängt. Laute Rufe erhoben sich, als Jeck mit Schellen und Ketten auf den Platz trat. »Was soll das?«, rief jemand, als Jecks Absicht deutlich wurde.
Ich geriet beinahe in Panik, hin und her gerissen zwischen meiner Hilflosigkeit und dem Drang, doch irgendwie einzugreifen. Jeck hob die Hand. »Es sind schon früher Attentäter offen durch das Tor in den Palast gelangt«, sagte er mit besänftigendem Lächeln. »Wenn sie die sind, die sie zu sein behaupten, wird ihnen nichts geschehen. Sollten sie aber Betrüger sein, werdet ihr morgen früh ihre Köpfe an der Mauer sehen.«
Ich schlug die Hand vor den Mund, und Duncan wurde grob vom Wagen gezerrt. Metall klirrte laut, als man ihm die Stiefel auszog und Schellen um seine und Thadds Knöchel legte. Duncans Miene war angespannt und zornig. Thadd hatte die Hände zu Fäusten geballt.
Der Lärm der Menge schwoll an, als das Haupttor entriegelt wurde. Ein Gardist schwang sich auf den Wagen und schnalzte mit den Zügeln. Das schwitzende Pferd floh vor der Menge auf das Palastgelände, über das sich allmählich die Abenddämmerung breitete. Der Ring der Wachen zog sich zurück, dem Wagen nach. Thadd und Duncan wurden ebenfalls durch das Tor gestoßen. Jeck ging als Letzter hindurch. Er ließ den Blick über die Menge schweifen, während das Tor geschlossen wurde. Das laute Scheppern durchfuhr mich wie ein Schlag, und mein Gesicht fühlte sich kalt an.
»Was sollen wir mit ihnen machen, Hauptmann?«, fragte einer der besser gekleideten Gardisten.
»Meldet Prinz Garrett, dass wir sie haben«, sagte er, den Blick immer noch auf das Gedränge vor dem Tor gerichtet. »Und holt mir eine Brechstange und einen Hammer. Ich will diese Kiste öffnen.« Ohne ein weiteres Wort folgte Jeck dem Wagen, den grässlichen Hut halb zerknüllt in der Hand. Die Finger des Gardisten zitterten, als er das Schloss am Tor noch einmal überprüfte, ehe er Jeck nacheilte. Mit gezogenen Schwertern bauten sich die übrigen Wachen im Schutz des geschlossenen Tores drohend wieder auf.
Als sei Jecks Abgang ein Signal gewesen, stürmte die Menge an mir vorüber. Ich blieb wie angewurzelt stehen und wurde geschubst und angerempelt. Der Lärm klang angriffslustig, und die Soldaten machten Anstalten, mit ihren Schwertern durch das Gitter zu stoßen. Ich wich zurück, bis sich die Menge etwas lichtete. Beinahe blind drehte ich mich um und eilte die Straße entlang. Ich fühlte mich eigenartig leicht und unwirklich. Ich musste da hinein. Jeck würde die beiden umbringen.
Der Baum, der über die Mauer ragte, war nicht weit entfernt, doch der Weg schien ewig zu dauern. Die Schatten wurden immer dichter. Der Mond würde erst spät aufgehen, so dass mir viel schützende Dunkelheit blieb. Ich blickte abwechselnd auf das Pflaster und die ununterbrochene Linie der Mauerkrone vor dem Himmel. Ich berührte meine Peitsche, dann das Messer und suchte weiter nach meinem Baum.
Die Laternen wurden angezündet, und ich verlangsamte meine Schritte, als ich an einer
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