Topchter der Köingin Tess 1
das zu wissen!«
Mein Vater stand stocksteif da. »Abgesehen von uns und der Kronprinzessin? Der Kanzler.«
»Niemand sonst?«, bohrte er mit gerunzelter Stirn nach. »Nicht einmal die Leute, die sie bedienen?«
»Nein«, antwortete Mutter. »Kanzler Kavenlow hat ihnen nichts gesagt. Der Kronprinzessin selbst wurde ihre wahre Abstammung erst kürzlich enthüllt, damit sie Eure Briefe selbst beantworten konnte.«
»Ich bin nicht die Prinzessin«, flüsterte ich, als der Albtraum für mich allmählich in Wirklichkeit überging.
»Nein, Liebes.« Mutter wandte sich mir zu.
»Ich werde Prinz Garrett also nicht heiraten?« Irgendwie klang meine Stimme flehentlich, als würde mir diese Hochzeit etwas bedeuten. Doch von meiner Welt war in diesem Augenblick nicht mehr viel übrig, und ich versuchte, auf dem aufzubauen, was ich hatte. Es war, als wollte man aus trockenem Sand eine Burg bauen. Alles rutschte sofort wieder weg.
»Nein.« Sie kniff die Augen zusammen. »Und ich danke Gott dafür.« Garrett sog scharf den Atem ein und wirbelte herum. Auf seinen glatten Wangen zeichneten sich rote Flecken ab. Das Gesicht meiner Mutter war grimmig vor beherrschter Wut. »Ihr sprecht wie eine Schlange, Prinz Garrett«, sagte sie. »Eure schönen Worte sollen ahnungslose Opfer einlullen. Ihr drängt viel zu begierig darauf, die Hochzeit zu beschleunigen, und hüllt Eure Gier in falsche Sorge um Eure Braut. Wir werden uns an die Vereinbarungen halten, doch ich bezweifle, dass meine leibliche Tochter jemals das Bett mit Euch teilen wird.«
Offenkundig überrascht fuhr Vater auf: »May?«
»Er nennt Tess ein Weib aus der Gosse«, erwiderte sie und wies mit einer zornigen Geste auf Garrett. »Er will nur den Ruhm und Reichtum, den die Prophezeiung verspricht.«
Garrett packte das Heft seines Schwertes so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Sie ist Abschaum aus der Gosse! Und Ihr habt versucht, sie als die Prinzessin vom Roten Mond auszugeben. Das hättet Ihr bei meinem Bruder niemals gewagt!«
Die Hand ebenfalls am Schwertknauf, baute mein Vater sich vor dem Mann auf, den ich beinahe geheiratet hätte. Er bebte vor unterdrückter Wut. »Es wäre wohl das Beste, wenn Ihr Euch vorerst in Eure Gemächer zurückzieht, Prinz Garrett. Wir werden diese Unterhaltung morgen fortsetzen.« Seine Stimme klang erschreckend kalt.
Garrett hielt dem Blick meines Vaters mit blitzenden grünen Augen stand. »Wie Ihr wollt.« Er wandte sich zu meiner Mutter um. »Euer Hoheit.« Dann machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte den Pfad zur Tür entlang.
Ich saß da wie betäubt und blinzelte, den Blick ins Nichts gerichtet, während seine Schritte verklangen. Meine Mutter schlug die Hände vors Gesicht und begann leise zu weinen.
Ich bin nicht die Prinzessin?
4
Ich erwachte vom Quietschen meiner Vorzimmertür. Ich starrte ins Halbdunkel des frühen Morgengrauens, während Heather sich geschäftig an die Arbeit machte und sich bemühte, leise zu sein. Sorge und Anspannung lösten sich ein wenig, und ich streckte die Füße aus und fand die Wärmflasche. Das Wasser darin war beinahe erkaltet, was mir ebenso deutlich wie das Dunkelgrau vor meinem Fenster sagte, dass die Sonne bald aufgehen würde. Noch zu früh für mich, aber nicht für die umherstreifenden, lüsternen Angehörigen meines Hofstaats.
Meine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. Heather war sehr scharfsinnig, wenn es um Chancen ging, den Palastmauern zu entkommen. Solange sie nicht schwanger wurde, würden alle ein Auge zudrücken, und ich genoss es, durch sie kleine Abenteuer mitzuerleben. Knöpfe wieder annähen zu müssen, war ein kleiner Preis dafür, ihre Schilderung der vergangenen Nacht zu hören. Ich hoffte nur, dass sie nicht vergessen hatte, weshalb sie überhaupt in die Stadt geschickt worden war.
Meine Vorfreude erlosch. Ich fragte mich, ob Heather mich noch mögen würde, wenn sie erfuhr, dass ich ein Bettlerskind war.
»Heather?«, rief ich und schämte mich so, dass ich beschloss, es ihr erst zu sagen, wenn es unumgänglich wurde. »Was hat dich denn aufgehalten – musste der Schmied vielleicht erst das Erz schmelzen?«
Ein Schuh scharrte über den Boden in meinem Zimmer, und ich runzelte die Stirn. Es roch nach Pferd. Das war nicht Heather.
Vor Angst dröhnte mir der Kopf, als ich im Bett hochschoss und nach dem Messer unter meinem Kopfkissen griff.
»Nein, nein«, sagte eine Männerstimme, und eine dicke, kräftige Hand packte
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