Topchter der Köingin Tess 1
spürte die ängstliche Erregung der wenigen Leute, die sich in Grüppchen im flackernden Lichtschein versammelt hatten, und fragte mich, welche Gerüchte inzwischen umgehen mochten.
Argwöhnisch musterte ich im Vorbeigehen eine Traube streitender Menschen. Erschreckend plötzlich hatten sich die Straßen geleert, doch diejenigen, die sich noch draußen aufhielten, waren laut. »Madam Schwarzes Schaf«, rief eine Männerstimme spöttisch, und mir stockte der Atem. Ein Schatten löste sich aus dem Lampenschein. Schohgruben, das war der Falschspieler. Ich blickte zum leicht verhangenen Himmel auf und fragte mich, warum es nicht regnete. Ansonsten ging ja auch alles schief.
Er rückte von der kleinen Gruppe ab und führte einen Grauschimmel hinter sich her. Ich zog einen Pfeil aus dem Haarknoten und verbarg ihn in meiner Hand. Ich überlegte, ob ich eine Szene riskieren sollte, indem ich ihn damit stach, oder ob genug Leute in der Nähe waren, um mich auch in seiner Anwesenheit halbwegs sicher zu fühlen. Ich entschied mich für Letzteres, behielt den Pfeil aber dennoch in der Hand.
»Herr Falschspieler«, erwiderte ich knapp, als er mich erreichte. Sein Pferd trug ein einfaches Sattelkissen anstelle eines richtigen Sattels. Dahinter waren Decken und ein Bündel festgeschnallt, abgenutzt und schmutzig.
»Ich heiße nicht Falschspieler. Mein Name ist Duncan.«
»Das interessiert mich nicht«, sagte ich und beobachtete die Straße. Ruß schnaubte leise zur Begrüßung und akzeptierte den grauen Wallach mit der Freundlichkeit, die Pferden zu eigen ist. Ich hingegen war nicht erfreut.
»Hört doch … Madam«, sagte er, »und mit dieser Anrede bin ich wirklich großzügig. Ich muss mit Euch sprechen.«
Mein Kiefer spannte sich. »Ich bin Euch nichts schuldig. Geht weg.«
»He«, sagte er. »Einen Augenblick.« Er passte sich meiner Geschwindigkeit an. »Niemand hat mich mehr beim Mogeln erwischt, seit ich vierzehn war.«
»Gratuliere.« Mein Blick war auf das Licht der nächsten Lampe gerichtet. Vielleicht hätte ich den Wirtssohn doch länger ertragen sollen.
»Wollt Ihr endlich zuhören?«
Er packte mich am Arm und zwang mich, stehen zu bleiben. Schockiert riss ich mich los. »Rührt mich ja nicht an!«, rief ich und spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Zornig lief ich weiter, mit schnellen, steifen Schritten. Falls er es wagen sollte, mich noch einmal anzufassen, würde ich ihn auf der Stelle abstechen.
Der Betrüger holte tief Luft und eilte mir nach. »Also schön, aber hört mir doch bitte zu. Was Ihr vorhin in der Taverne zuwege gebracht habt, war unglaublich. Ich habe noch nie so viele gute Karten weggesteckt. Jedenfalls nicht so schnell. Ihr habt sie mir zugespielt«, sagte er, und es klang, als sei er wider Willen beeindruckt. »Dann habt Ihr für Ablenkung gesorgt, damit ich sie einstecken konnte. Und das alles habt Ihr getan, um mich zu erpressen – damit ich Euch gewinnen lasse.«
»Und wenn dem so war?«, entgegnete ich steif. Ich war nicht stolz auf mich.
»Sei doch nicht so hochnäsig«, sagte er, und ich unterdrückte den Impuls, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. »Ich bin dir nicht böse. Jetzt nicht mehr. So großartige Taschenspielerei habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Du hast das ganze Geld eingestrichen, aber deine lilienweißen Hände sind dabei völlig makellos geblieben.«
»Das muss an meiner Erziehung liegen«, brummte ich. Warum war der Kerl immer noch hier? Ich hatte doch deutlich gemacht, dass ich nichts mit ihm zu tun haben wollte.
»Bleibst du jetzt endlich mal stehen?«, bat er. »Gemeinsam können wir noch viel mehr erreichen als jeder für sich.«
Meine Schritte erlahmten, und ich starrte ihn an. Er hielt mich für eine Diebin. Er wollte mit mir zusammenarbeiten? »Ich bin keine Diebin!«, protestierte ich laut, und er schürzte gereizt die Lippen und blickte die leere Straße auf und ab.
»Natürlich nicht«, sagte er hastig und mit immer noch schweifendem Blick. »Ich auch nicht. Ich bin Falschspieler, und ich knöpfe nur denen Geld ab, die es sich leisten können.«
»Ach«, entgegnete ich trocken. »Ein edelmütiger Falschspieler. Das ist natürlich etwas ga-a-anz anderes.«
Duncan schien sich an meiner Verachtung nicht zu stören, er berührte sogar die Krempe seines schmutzigen Hutes zum Gruß. Engelsspucke, gab es denn außerhalb des Palastes überhaupt nichts, was rein und sauber war? »Also, was meinst du, Madam Schwarzes Schaf? Wollen wir uns
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