Topchter der Köingin Tess 1
Mein Herz machte einen Satz, als ich Ruß entdeckte, die vor dem Haus angebunden war.
»Ruß!«, rief ich und kümmerte mich nicht um die neugierigen Blicke, die sich auf mich richteten, als ich zu ihr hinübereilte. Der schwarze Wallach hinter mir lief ebenso freudig auf sie zu, mit stolz gebogenem Hals und hohem Schweif. »Ach, prächtig siehst du aus«, raunte ich ihr zu, während ich Tuck und Jecks Pferd neben ihr anband.
Ein kleiner Stallbursche, dessen Besen größer war als er selbst, beäugte mich argwöhnisch, und ich nahm die Hände von ihr. Das Gewissen zwickte mich wegen des verkauften Sattels, als ich meine Sachen neben Duncans auf Ruß festgeschnallt sah. Aber wenn Ruß hier draußen war, dann war Duncan da drin.
Ich überließ die drei Pferde ihrem Begrüßungsritual, machte einen großen Schritt über das Würfelspiel auf der Vordertreppe hinweg und betrat das Gasthaus. Der Schankraum war stickig, schummrig und laut, denn zu viele Männer bemühten sich, in wenigen Tagen nachzuholen, was sie monatelang entbehrt hatten. Ich ließ den Blick über die Menge schweifen und zauderte, als die Blicke der anderen Frauen feindselig wurden. Nervös befühlte ich meinen zerzausten Haarknoten.
»Weg!«, hörte ich eine vertraute Stimme jammern, und ich fuhr zum Tresen herum. »Verschwunden wie eine Fleischpastete vom Fensterbrett.«
Ein Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln, als ich Duncan erkannte, der kläglich über dem Tresen hing und dem Wirt etwas vorjammerte. Ich wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen, indem ich ihm etwas zurief, deshalb schob ich mich zielstrebig zwischen den Tischen hindurch. Hoffentlich konnte ich den neugierigen Beobachtern damit deutlich machen, dass ich vollauf mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt war.
»Sie hätte mich reich machen sollen«, sagte Duncan. Ich warf einem grapschenden Matrosen einen giftigen Blick zu und wich seinen Händen aus. »Und jetzt ist sie weg. Ich habe nach ihr gesucht. Weiß Gott, überall habe ich sie gesucht, aber ich konnte keine Spur von ihr finden. Ist verschwunden wie ein Punta in einem Staubwirbel.«
»Ach«, sagte der Wirt. »Stell nicht den Frauen nach, die dir davonlaufen. Junge. Da findet sich was Besseres. Noch ein Bier?« Seiner gelangweilten Miene nach zu urteilen, sagte er diese Litanei tagtäglich auf.
»Nein.« Duncan zog seinen Krug zu sich heran. »Ihr versteht das nicht. Ich könnte mein Leben lang suchen und würde nie wieder eine finden wie sie. Es war mir sogar egal, dass ihr Essen geschmeckt hat wie die Unterseite des Kochtopfs und ihr Tee wie Hasenpisse.«
Ich verzog das Gesicht und bemerkte zu meiner Überraschung, dass der Wirt mich mit einer Art verächtlichem Interesse musterte. »Hatte sie hüftlange braune Locken mit lauter Zweigen und Blättern darin?«, fragte er.
»Ja.« Duncan seufzte und fuhr zornig fort: »Blätter und gemeine, spitze Nadeln. Zur Hölle mit allem, es war einfach perfekt. Jetzt stehe ich wieder mit nichts da.«
Unwillkürlich tastete ich nach meinem Haar. Ich hatte es seit Stunden nicht mehr gebürstet. Vermutlich sah ich aus wie rückwärts durch ein Astloch gezogen.
»Und war ihr Kleid zu kurz?«
Duncan nickte eifrig. »Gott steh mir bei, sie trug einen roten Unterrock. Ich habe ihn gesehen, als sie aufs Pferd gestiegen ist. Sie ist geritten wie ein Mann.« Er hing so tief über dem Tresen, dass er zu dem Wirt aufschauen musste. »Wie ein Mann, sage ich!«
Ich runzelte die Stirn und zupfte an meinem Kleid. Wie sollte ich denn sonst reiten, wenn ich keinen richtigen Sattel hatte?
»Und kann sie ganz schön übellaunig werden?«, fragte der Wirt, der den Blick gerade lange genug von mir abwandte, um auf den Boden zu spucken.
»Wenn man sie etwas fragt, kann man eine Antwort bekommen, aber auch eine Ohrfeige«, bestätigte er trübselig. »Ihr klingt ja beinahe, als hättet Ihr sie gesehen.«
Der Mann wandte den Blick von mir zu Duncan. »Sie steht hinter dir, verbrannt noch mal.«
Duncan fuhr so schnell herum, dass er beinahe seinen Hocker umwarf. »Tess!«, rief er fassungslos und stand auf. »Du lebst!« Ein ganzer Sturm unausgesprochener Gedanken wirbelte über sein Gesicht, zu schnell, als dass ich alle hätte erkennen können. Dann legte er sich auf einen Gedanken fest und kam strahlend und mit ausgestreckten Armen auf mich zu.
Erschrocken hob ich die Hände, um ihn abzuwehren. Duncan schob sie beiseite und schloss mich in die Arme, dass mir die Luft wegblieb.
Weitere Kostenlose Bücher