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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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aber dann konzentrierte ich mich ganz auf diese neue Herausforderung. Eigentlich hatte ich nur eine vage Vorstellung davon, was zu tun war, immerhin hatte ich noch nie zuvor eine Ziege gesehen, geschweige denn eine gehalten, aber irgendwie musste ich das hinkriegen.
    Zunächst drückte ich einen Tropfen Milch aus der Flasche, damit der Sauger angefeuchtet wurde, dann wartete ich auf den nächsten Schrei des Zickleins und schob ihm schnell das Mundstück ins geöffnete Maul. Bei den ersten beiden Versuchen schüttelte das sture Vieh den Kopf und blökte nur noch lauter, doch beim dritten Mal begriff es endlich, was ich ihm anzubieten versuchte. Ruckartig schlossen sich die Kiefer um den Sauger und es begann, konzentriert zu trinken. Die gurgelnden Geräusche wurden vom erleichterten Applaus meines Publikums fast übertönt.
    Bevor ich wusste, wie mir geschah, saß Caleb auf einer Seite, Bethany auf der anderen, und sie schmiegten sich an mich. Automatisch richtete ich mich stocksteif auf, aber die beiden schienen gar nicht zu bemerken, wie unwohl ich mich fühlte. Außerdem schrie das Zicklein jedes Mal empört auf, wenn ich die Flasche nicht weit genug neigte. Resigniert lehnte ich mich wieder zurück und beobachtete die drei kleinen Lebewesen, bemühte mich aber, weder ihren Geruch einzuatmen noch ihren Herzschlag zu registrieren. Einmal sah Teresa lächelnd zu mir herüber, und ich zuckte hilflos mit den Schultern.
    Um mich von den Gedanken an Blut, schlagende Herzen und den aufsteigenden Hunger abzulenken, flüsterte ich schließlich: »Ich finde, das Kerlchen hier braucht einen Namen, falls es noch keinen hat. Was meint ihr dazu?«
    Caleb und Bethany waren voll dafür. »Wie wäre es mit Prinzessin?«, schlug Bethany vor.
    »Das ist blöd«, konterte Caleb sofort. »Das ist ein Mädchenname.«
    Sie streckte ihm die Zunge raus, was er prompt erwiderte. Das Kleine sog so heftig an der Flasche, dass ihm die Milch aus der Schnauze lief. Das Tier war schneeweiß, abgesehen von ein paar schwarzen Flecken an den Hinterbeinen und einem dunklen Ring um ein Auge, das ihn aussehen ließ wie ein Seeräuber.
    »Was haltet ihr von Pirat?«, überlegte ich.
    Begeistert klatschten sie in die Hände. Beide Kinder waren der Meinung, dieser Name sei einfach perfekt, und Bethany küsste Pirat sogar den pelzigen Kopf, was das Zicklein gelassen ignorierte. Nachdem er noch einen Moment lang zugesehen hatte, wie das Tier seine Milch verschlang, stieß Caleb plötzlich einen herzzerreißenden Seufzer aus und ließ sich an meine Schulter sinken.
    »Ich will hier nicht weg.« In seiner Stimme schwang eine Erschöpfung und Resignation mit, die ganz und gar nicht zu seinem Alter passte. »Ich will nicht mehr nach Eden suchen. Lieber bleibe ich hier.«
    »Ich auch«, murmelte Bethany, aber sie hatte sich schon zusammengerollt und war halb eingeschlafen.
    Caleb rieb Pirat an der Schulter, bis das Tier mit der Haut zuckte, als wollte es eine Fliege verscheuchen. »Meinst du, in Eden gibt es auch Ziegen, Allie?«
    »Ganz bestimmt«, versicherte ich ihm und hob die Flasche so weit an, dass Pirat auch noch die letzten Tropfen heraussaugen konnte. »Vielleicht bekommst du da sogar ein paar eigene.«
    »Das wäre schön«, murmelte Caleb. »Hoffentlich finden wir es ganz bald.«
    Wenig später war die Flasche leer und meine drei Schützlinge schliefen – einer auf meinem Schoß, die beiden anderen dicht an mich gekuschelt. Teresa war ebenfalls eingenickt, ihr Kinn ruhte auf der Brust und die Flickarbeit lag vergessen neben ihr. In der Scheune war es absolut still. Nur hin und wieder bewegte sich eines der Tiere, und natürlich waren da die drei unterschiedlichen Herzschläge um mich herum.
    Plötzlich kippte Bethany nach vorne und landete auf meinem Bein, sodass ihre blonden Locken sich über meinen Oberschenkel ergossen. Fasziniert starrte ich auf sie hinunter. Das flackernde Licht der Laterne tanzte über ihren zarten, blassen Hals. Mit einem leisen Seufzer schmiegte sie sich noch enger an mich und murmelte im Schlaf.
    Meine Reißzähne schossen hervor. Übermäßig laut dröhnte ihr Herzschlag in meinen Ohren. Ich hörte jeden Pulsschlag, in ihren Handgelenken genauso wie an ihrer Kehle. Mein Magen war hohl und leer, und ihre Haut lag so warm an meinem Bein.
    Vorsichtig strich ich ihr Haar beiseite und beugte mich vor.

16
    Nein! Krampfhaft schloss ich die Augen und richtete mich so heftig auf, dass ich mit dem Kopf gegen die Wand knallte. Das

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