Tor der Daemmerung
Krankheit zu überwinden, außerdem war er sofort nach dem Angriff bei mir gewesen. Und selbst dann hatte ich enormes Glück gehabt, denn die meisten Vampire erschufen nur neue Verseuchte, wenn sie versuchten, Nachkommen zu produzieren.
Doch die Verseuchtenkrankheit war stark und hartnäckig. Kanin hatte mir beigebracht, dass jeder Fall anders war: Normalerweise spielte dabei die Schwere der Verletzung genauso eine Rolle wie die Kraft und der Wille des Opfers, gegen die Infektion anzukämpfen. Das Virus breitete sich rasend schnell im Körper aus und verursachte hohes Fieber und starke Schmerzen, bevor es seinen Wirt letztlich tötete. Blieb er unangetastet, erwachte der Tote vollkommen verändert wieder zum Leben – als Verseuchter und Träger eben jenes tödlichen Virus’, das ihn umgebracht hatte.
Mir war klar, dass die Archers lediglich notwendige Schutzmaßnahmen ergriffen hatten. Selbst bei einem Familienmitglied durften sie nicht riskieren, dass es verseucht wurde. Trotzdem lief es mir kalt den Rücken herunter, wenn ich daran dachte, wie es sein musste, ganz allein in einem Käfig zu sitzen und auf den Tod zu warten. Und ich fragte mich, was Zeke wohl davon halten würde. Wäre er genauso schockiert und verstört wie ich? Oder würde er sich auf Jebs Seite schlagen und betonen, dass es das einzig Richtige sei?
Zeke. Hastig verdrängte ich den Gedanken an ihn und schleuderte das nächste Holzscheit mit so viel Kraft in die Schubkarre, dass es wieder heraussprang und gegen die Schuppenwand prallte. Dieser Moment da oben auf der Plattform … so etwas durfte nie wieder geschehen. Ganz egal, wie sehr ich mich danach sehnte. Auf keinen Fall konnte ich zulassen, dass er mir jemals wieder so nahe kam. Das war für uns beide das Beste.
Als ich mit der Schubkarre voll Holz und Zweigen zurückkehrte, hockten Ruth und Zeke immer noch in friedlicher Zweisamkeit auf der Plattform. Also kehrte ich nicht zu unserem Wachposten zurück, sondern ließ mir stattdessen von Larry zeigen, wie man die Feuer mit Brennstoff versorgte und das Holz über verschiedene Rutschen direkt in die Flammen schickte. So musste man die Sicherheit der Festung nie verlassen. Wirklich beeindruckend. Anstatt draußen herumzurennen und die Scheite in die Flammen zu werfen, wobei man die unzähligen Verseuchten anlocken konnte, die im Wald lauerten, hatten diese Leute ein geniales System entwickelt, um das Problem auf möglichst risikofreie Art zu lösen. Eine solche Kreativität verdiente Bewunderung.
Nachdem die Feuer versorgt waren, schlenderte ich zur Scheune, um Zeke und Ruth aus dem Weg zu gehen. Vielleicht konnte er ihr ja mit meiner Waffe zeigen, wie man ein Gewehr benutzte – das würde ihr sicher gefallen –, und ich könnte ihre Schicht bei den Tieren übernehmen. Was immer nötig war, um auf Abstand zu bleiben.
Aus dem Inneren der Scheune schlug mir warme, muffige Luft entgegen. Das Vieh schlummerte friedlich. Der Großteil unserer Gruppe war gerade draußen oder im Haupthaus, da sie als Wachen eingeteilt waren oder diverse Aufgaben in der Festung übernommen hatten. Nur Teresa, Silas und die jüngsten Kinder waren bei den Tieren geblieben. Der alte Silas lag gut zugedeckt in einer Ecke und schnarchte laut. Teresa saß neben ihm, flickte eine Decke und summte leise. Als ich eintrat, nickte sie mir lächelnd zu.
»Allison.« Caleb tauchte aus einer der Boxen auf und rannte auf mich zu, gefolgt von der schüchternen kleinen Bethany, die in ihrer schmutzigen Hand eine Flasche hielt. Der Junge trug ein geflecktes Zicklein auf dem Arm, konnte das blökende Tier aber kaum bändigen, obwohl es nur schwach strampelte. Schnell ging ich in die Knie, nahm ihm das Tierchen ab und drückte es besänftigend an meine Brust. Das beruhigte das Kleine zwar etwas, aber es meckerte immer noch kläglich.
»Sie hat keine Mami mehr.« Calebs Stimme klang weinerlich und er wischte sich das Gesicht ab, sodass sich eine dunkle Spur aus Schlamm über seine Wange zog. »Wir müssen sie füttern, aber sie trinkt nicht. Die ganze Zeit schreit sie, aber die Milch nimmt sie nicht, und ich weiß nicht, was sie will.«
»Gib mal her«, sagte ich und streckte die Hand nach der Flasche aus. Brav reichte Bethany sie an mich weiter. Ich lehnte mich gegen die Wand und rückte das kleine Wesen auf meinem Schoß zurecht, alles unter den gespannten Blicken der beiden Kinder. Ich spürte einen kurzen Anflug von Ärger, weil das hier eigentlich Ruths Job gewesen wäre,
Weitere Kostenlose Bücher