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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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etwa nur über die Treppe? Oder konnte der Vampirkönig vielleicht fliegen?
    Ein lautes Scheppern lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine der Wände, wo gerade ein Fahrstuhl erschien, dessen völlig verrostete Türen halb geöffnet in ihrem Rahmen hingen. Hastig ließ ich mich ins Wasser gleiten und ging hinter dem Empfangstresen in Deckung, während sich eine Hand zwischen die beiden Türhälften schob und sie auseinanderdrückte. Zwei bewaffnete Banditen verließen den Fahrstuhl und liefen über die Stege auf die überflutete Straße hinaus. Nachdem sie in Richtung des Brandherds verschwunden waren, watete ich schnell zu dem Lift hinüber.
    Ich stemmte die Tür mit der Schulter auf und musterte prüfend die Kabine. Jackals Männer hatten das schäbige Ding offenbar selbst gebaut, und hätte ich es nicht gerade mit eigenen Augen gesehen, hätte ich nie geglaubt, dass es funktionieren könnte. An einem dicken Kabel hing ein simpler Stahlrahmen, der mit einigen Geländern und viel Maschendraht versehen worden war. Der Boden bestand aus ein paar morschen Holzplatten, durch dessen Ritzen man das Wasser darunter sehen konnte. In einer Ecke war eine Art Hebel angebracht worden, natürlich auch total verrostet, der in einem Nest aus nackten Kabeln ruhte. Immer wieder sprühte das Ding Funken, was meine Skepsis nur verstärkte.
    Ich schob mich in die schaukelnde Kabine hinein, die unter meinem Gewicht laut quietschte, stieg über die größeren Löcher im Boden hinweg und drückte den Hebel nach oben.
    Der Fahrstuhl begann zu beben, Funken flogen, und dann fuhr er langsam, aber stetig in die Höhe. Ich biss die Zähne zusammen und klammerte mich bei jedem Ruck, der meistens scheppernd an der Schachtwand endete, so fest an den Metallrahmen, dass ich sichtbare Abdrücke im Rost hinterließ. Wie hatten die Leute in früheren Zeiten es nur ausgehalten, in so einer winzigen Kiste Dutzende von Metern in die Höhe zu fahren?
    Irgendwann hielt das Ding quietschend und schaukelnd vor einer weiteren Tür, die sogar in einem etwas besseren Zustand war. Trotzdem ließ sie sich nur schwer öffnen, doch nachdem ich mich hindurchgequetscht hatte, war ich erleichtert, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
    Na ja … vielleicht auch nicht.
    Als ich den Fahrstuhl verließ, sah ich zunächst nur Himmel. Ungefähr fünf Meter vor mir zog sich eine riesige Fensterfront den Korridor entlang und gab den Blick frei auf die düstere, funkelnde und welkende Pracht der Stadt. Einige der Scheiben fehlten, sodass ein scharfer Wind hereinwehte und an meinen Haaren zerrte. Die Luft roch nach Wasser und Rauch.
    Als Nächstes bemerkte ich die Wache am Ende des Flurs. Der Mann stand direkt vor dem Fenster und starrte auf die Straße hinunter, drehte sich aber sofort um, als ich aus der Kabine trat. Er war sichtlich überrascht, in seinem Flur einem weiblichen Vampir zu begegnen.
    Tja, Pech gehabt. Mit einem Sprung war ich bei ihm und riss ihn von den Füßen. Ohne einen Laut von sich zu geben, knallte er gegen die Wand. Geschickt wich ich seinem reglosen Körper aus und griff nach der Türklinke.
    Hinter der Wand war ein feines Summen zu hören und unter der Tür drang etwas Licht hindurch. Hoffentlich erwartete mich dort drin nicht ein grinsender Banditenkönig. Langsam zog ich die Tür auf und spähte durch den Spalt.
    Blendende Helligkeit schlug mir entgegen, sodass ich instinktiv zurückwich. Sorgsam schirmte ich meine Augen ab, kniff die Lider zusammen und versuchte es noch einmal. Der Raum war grell erleuchtet, das Licht strömte aus jeder Ecke, jeder Nische, jedem Spalt, sodass keinerlei Schatten blieben. An den Wänden standen Arbeitstische und Regale, einige mit Büchern, andere voller fremdartiger Maschinen und Glasröhrchen, die das Licht reflektierten. Warum war es hier so hell? Nicht einmal mit hundert Taschenlampen oder Scheinwerfern konnte man einen Raum so stark ausleuchten. Vorsichtig zog ich die Tür weiter auf und sah mich genauer um.
    Es wurde immer merkwürdiger. An einer Wand hing ein seltsames grünes Brett, das zur Hälfte mit weißen Buchstaben und Zahlen bedeckt war, die überhaupt keinen Sinn ergaben. Mit Klebeband hatte jemand an der freien Hälfte eine Landkarte der »Vereinigten Staaten von Amerika« befestigt, die offenbar aus der Zeit vor der Epidemie stammte. Auch darauf waren diverse Zeichen vermerkt, einzelne Punkte waren mit roter Tinte eingekreist und irgendwann wieder durchgestrichen worden, Letzteres anscheinend

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