Tor der Daemmerung
voller Wut.
Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Auf einem monströsen alten Schreibtisch an der Wand gegenüber der Fensterfront stand ein flackernder Monitor, auf dem unlesbare Wörter blinkten. Verblüfft musterte ich das Ding – ein echter Computer aus einer Zeit, als solche Technologie in jedem Haushalt zu finden war. Noch nie hatte ich einen gesehen, der tatsächlich funktionierte, allerdings hatte es im Saum Gerüchte gegeben, sie würden noch existieren, bräuchten jedoch eine externe Energiequelle. Jackal hatte viel Zeit und Mühen in diesen Ort investiert. Was genau wollte er hier tun?
Langsam ließ ich den Blick durch den Raum schweifen, zunächst an der Wand entlang, dann in die andere Richtung. Und schließlich fand ich, was ich gesucht hatte.
Vor einem der Fenster stand ein Mann und blickte auf die Stadt hinunter. Seine Silhouette zeichnete sich deutlich vor dem dunklen Nachthimmel ab. Der blasse Schein des Feuers zeichnete die strengen Züge von Jebbadiah Crosse nach und tauchte sie in ein rötliches Licht. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber ich glaubte, auf seiner eingefallenen Wange eine glitzernde Tränenspur zu sehen. Sein Gesicht war vollkommen leer: Hier stand ein Mann, der alles verloren hatte, für den es keinen Grund gab, noch länger zu leben.
Entschlossen riss ich die Tür auf und ging hinein. »Jebbadiah.«
Er drehte sich um und wirkte für einen Moment aufrichtig überrascht. »Du?«, fragte er stirnrunzelnd. »Das Vampirmädchen. Wie … warum bist du hier?« Dann unterbrach er sich und lächelte bitter. »Ah, natürlich. Du bist uns gefolgt, nicht wahr? Konntest nicht zulassen, dass wir einfach verschwinden. Jetzt ergibt alles einen Sinn. Wie leicht deinesgleichen doch Rachepläne schmiedet.« Bei den nächsten Worten wurde seine Stimme kalt, unnachgiebig und hasserfüllt. »Dies ist der perfekte Ort für dich. Eine gefallene Stadt voller Dämonen und Sünder, beherrscht von einem Teufel. Bist du gekommen, um deinen Triumph auszukosten? Um den alten Mann zu begaffen, der alles verloren hat?«
»Ich will niemanden begaffen«, unterbrach ich ihn und ging zu ihm hinüber. »Ich bin gekommen, um dich hier rauszubringen.«
»Lügen«, erwiderte Jeb tonlos. »Mit dir würde ich nirgendwo hingehen, Teufel, selbst wenn ich es könnte. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.« Er wandte sich wieder dem Fenster zu und beobachtete die Rauchschwaden. »Sie sind fort, befreit von der Last dieser Welt. Und bald werde ich bei ihnen sein.«
»Sie sind nicht tot.« Wachsam trat ich zu ihm. »Zeke und ich haben sie befreit. Sie warten draußen vor der Stadt auf uns, aber wir müssen hier weg, bevor Jackal uns entdeckt.«
»Hast du Angst vor dem Tod, Vampir?«, fragte Jeb leise, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. »Du solltest wissen, dass es nichts Gefährlicheres gibt als einen Menschen, der den Tod nicht fürchtet. Ich habe alles verloren, aber das hat mich auch befreit. Der Vampirkönig wird mich niemals dazu benutzen können, seine Pläne zu verwirklichen. Und du – du wirst niemals wieder jemanden terrorisieren.«
»Jeb.« Ich griff nach seinem Arm. »Jackal kann jeden Moment hier sein. Wir müssen hier raus, und zwar …«
Jeb drehte sich um, trat einen Schritt vor und rammte mir vollkommen gelassen etwas in den Bauch.
Keuchend fuhr ich zurück, dann krümmte ich mich, als der Schmerz wie ein brennender, lähmender Strom in meinen Bauch schoss. Fauchend fletschte ich die Zähne und wich taumelnd vor Jebbadiah zurück, der mich regungslos beobachtete. Seine Hände waren blutverschmiert.
Ich fuhr über meinen Bauch und tastete nach der scharfkantigen Waffe, die immer noch wie ein Folterinstrument in meinem Fleisch steckte. Das Blut machte sie glitschig, trotzdem bekam ich ein Ende zu fassen und zog sie heraus. Krampfhaft biss ich die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Unter quälenden Schmerzen glitt eine fast fünfzehn Zentimeter lange Glasscherbe aus der Wunde. Mit einem atemlosen Stöhnen ließ ich sie fallen, dann gaben meine Beine nach und ich sank auf die Knie.
Jebbadiah ging an mir vorbei zu einem der Regale. Sein Gesicht war ausdruckslos. Der Heilungsprozess hatte bereits begonnen, die Wunde schloss sich, aber nicht schnell genug. »Jeb«, ächzte ich und versuchte aufzustehen, sank aber prompt mit verzerrtem Gesicht zurück. »Ich schwöre … ich bin gekommen, um dich zu holen. Die anderen leben, sie warten auf dich …«
Er zog eine Schublade
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