Tor der Daemmerung
gespürt habe. Plötzlich ergibt der Wahnsinn da draußen einen Sinn.« Mit einem enttäuschten Zungenschnalzen schüttelte er den Kopf. »Hast du etwa mein Theater niedergebrannt? Das war aber nicht sehr kultiviert. Jetzt werde ich einen neuen Ort für meine rituellen Zerstückelungen finden müssen.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich herablassend, was daran liegen mochte, dass ich mit gezogenem Schwert in Kampfhaltung vor ihm stand. Ich wartete nur darauf, dass er den ersten Schritt tat. Wieder erfasste mich dieses merkwürdige Gefühl von Vertrautheit, als wäre ich ihm bereits begegnet.
»Wie unangenehm«, fuhr Jackal schließlich fort, nicht im Geringsten beeindruckt vom Anblick meiner Waffe. »Anscheinend haben wir vollkommen verschiedene Vorstellungen davon, was heute Nacht passieren soll. Weißt du, ich will nicht gegen dich kämpfen. Ich stoße hier nicht oft auf meinesgleichen, und erst recht nicht auf schöne, schwertschwingende Exemplare unserer Art. Doch offensichtlich habe ich dich in der Vergangenheit gegen mich aufgebracht, denn mein Gefühl sagt mir, dass ich dich irgendwoher kenne, auch wenn ich mich weder an den Ort noch an den Moment unserer Begegnung erinnern kann.«
»Ich bin auch nicht auf einen Kampf aus«, versicherte ich ihm und deutete mit dem Kinn auf Jeb. »Ich bin nur seinetwegen hier. Lass ihn gehen, dann werden wir sofort aus deiner Stadt verschwinden.«
»Ah, nun ja, das könnte schwierig werden.« Seufzend rieb sich Jackal das Kinn. »Du musst verstehen, ich bin jetzt schon seit einiger Zeit hinter dem alten Mann her, seit ich von diesen Wissenschaftlern und ihrem Projekt erfahren habe. Ich brauche ihn, um ein Heilmittel zu entwickeln. Da er behauptet, nicht genügend Informationen zu haben, habe ich ihn mit allem ausgestattet, was er benötigt. Ich tue hier ein wirklich gutes Werk.« Das Lächeln des Banditenkönigs war charmant, es machte ihn regelrecht attraktiv. »Ich will lediglich den Fluch der Verseuchten beenden. Da ist doch nichts Schlimmes dran, oder? Würdest du nicht dasselbe tun, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?«
Ich traute ihm nicht. Das konnte nicht sein einziger Beweggrund sein. »Wie hast du von dem Heilmittel erfahren?«, wollte ich wissen. Jackal zuckte mit den Schultern.
»Mein Schöpfer hat mir davon erzählt.«
»Dein Schöpfer?« Plötzlich wurde mir schlecht. Nein, das konnte nicht wahr sein. Dieses Gefühl der Vertrautheit, diese eigenartige Verbundenheit, das Wissen, dass er nicht irgendein Vampir war … In diesem Moment wusste ich mit absoluter Sicherheit, was er als Nächstes sagen würde. Am liebsten hätte ich gebrüllt, er solle den Mund halten.
»Erschaffer? Vaterfigur?« Jackal winkte ab. »Derjenige, der mich verwandelt hat. Er fand mich halb erfroren in der Wüste, nachdem meine Familie von Banditen getötet worden war, und hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Dafür werde ich dem arroganten Sack ewig dankbar sein, aber wir waren nur in den seltensten Fällen einer Meinung. Wenige Monate nach meiner Verwandlung … na ja, sagen wir, unsere Wege haben sich getrennt. Er nannte sich …«
»Kanin«, flüsterte ich.
Jackal kniff misstrauisch die Augen zusammen.
»Woher weißt du …« Er starrte mich an, als würde er mich zum allerersten Mal sehen. Dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte laut. »Aber natürlich! Da ist die Verbindung! Ich wusste doch, dass ich dich irgendwoher kenne. Kanin, du verlogener Mistkerl! Was ist aus deinem Schwur geworden, nach mir niemals mehr jemanden zu verwandeln?«
Fassungslos versuchte ich, das alles zu begreifen. Kanin war unser Schöpfer. Er hatte Jackal verwandelt, genau wie mich, machte uns das etwa zu … Geschwistern? War das mein Bruder? Ich hatte keine Ahnung, wie das in der Welt der Vampire funktionierte. Diese eine Sache hatte Kanin mir nicht beibringen wollen.
»Was für ein Schock, was, Schwesterchen?« Jackal grinste entzückt. Instinktiv zuckte ich bei dem Wort zusammen, es klang so fremd. »Schwesterchen« – das bedeutete, dass wir verwandt waren. Eine Familie. »Das ist doch einfach großartig, oder nicht? Jetzt kannst du gar nicht mehr auf mich losgehen, ich bin schließlich dein lieber großer Bruder!«
»Du bist nicht mein Bruder«, knurrte ich. Meine Entscheidung war bereits gefallen. Spöttisch zog Jackal eine Augenbraue hoch. »Nach allem, was du getan hast, will ich nichts mit dir zu tun haben.« Ich dachte an Darren, an das Flehen
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