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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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ich fast hundert Meter zwischen mich und die anderen gebracht hatte. Dort ließ ich das Zelt zu Boden fallen und musterte es finster.
    Alles klar, das schaffe ich. Wie schwer kann das schon sein? Ich kniete mich hin und hob stirnrunzelnd einen langen Metallnagel auf. Was zum Teufel ist das? Soll man damit vielleicht jemanden erstechen? Werden Zelte etwa mit integriertem Vampirabwehrzubehör geliefert?
    Aber sobald man einmal den Bogen raus hatte, war es eigentlich ganz simpel. Mit den Metallnägeln wurden die Ecken am Boden fixiert, und von innen wurde das Zelt durch einige Plastikstangen aufrecht gehalten. Ich kriegte es gleich beim ersten Versuch hin und war ziemlich stolz auf mich, aber dann verhedderte ich mich irgendwie in den Stangen und alles brach über mir zusammen.
    Während ich noch fluchend mit der Zeltbahn kämpfte, schlüpfte Zeke lachend zu mir hinein und drückte den Stoff in die Höhe. Dann schnappte er sich das Gestänge, brachte es mit lässiger Routine in Position und stellte das Zelt wieder auf.
    »Bitte schön«, sagte er immer noch kichernd. »Das müsste halten. Bedauerlicherweise hast du eines von den Wackelzelten bekommen. Aber gar nicht schlecht, du hast es beim ersten Versuch hingekriegt. Du hättest Ruth sehen sollen, wie sie sich die ersten Male bei ihrem angestellt hat. Nie wieder habe ich aus dem Mund unseres zarten Pflänzchens solche Worte gehört.«
    Ich fühlte mich augenblicklich besser. »Das scheint aber nicht sehr stabil zu sein«, gab ich zu bedenken und wackelte vorsichtig an der Plastikstange, die eine der Seiten stützte. Wieder prustete Zeke los. Ich entschied, dass er ein nettes Lachen hatte, auch wenn es in diesem Fall auf meine Kosten ging.
    »Solange du nicht gegen das Gestänge stößt, wird schon nichts passieren. Es sei denn, es wird so richtig windig. Oder jemand läuft aus Versehen dagegen. Oder eine Ameise krabbelt drauf.« Er grinste. »Wir sind alle längst daran gewöhnt, dass die Zelte hin und wieder über uns zusammenbrechen. Die meisten wachen nicht einmal mehr auf, wenn das passiert.«
    Mit einem abfälligen Schnaufen hakte ich nach: »Wenn also ein Sturm aufzieht …«
    »Bleibst du wenigstens trocken, während du durch die Landschaft gepustet wirst.«
    Ich musste lachen. Es fühlte sich seltsam an; das letzte Mal war schon eine ganze Weile her. Im selben Moment wurde mir die Nähe zu Zeke bewusst, in dem winzigen Stoffbau drückten wir uns fast schon aneinander. Selbst im Dunkeln konnte ich jedes Details seines Gesichts erkennen: die Mimikfalten an Mund und Augen und die blasse Narbe auf seiner Stirn, die unter den hellen Haaren fast gänzlich verborgen war. Ich konnte seinen Herzschlag hören, spürte den Fluss des Blutes in seinen Adern. Wie Zeke wohl schmeckte? Und wie mochte es sich anfühlen, ihn an mich zu ziehen und mich in ihm zu verlieren?
    Der Gedanke erschreckte mich, und sofort wich ich zurück. Wäre ich auch nur im Geringsten hungrig gewesen …
    Zeke errötete und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Offenbar hatte ich ihn gerade angestarrt. »Ich sollte gehen«, murmelte er und schob sich rückwärts aus dem Zelt. »Die anderen … vielleicht braucht jemand Hilfe.« Draußen vor dem Eingang hockte er sich noch einmal hin. »Falls du irgendetwas brauchst, lass es mich wissen. Bald gibt es bestimmt auch Abendessen. Ach ja, das hier ist für dich.«
    Er griff nach etwas und warf es zu mir ins Zelt, wo es in einer Staubwolke auf dem Boden landete: eine dicke, blau-weiße Decke, völlig intakt bis auf ein kleines Loch an einer Ecke.
    Verblüfft sah ich Zeke an. Eine solche Decke hatte im Saum den Gegenwert von Essensmarken für einen ganzen Monat, und so etwas schenkte er mir, einfach so? Wieso das denn? »Ich … ich kann das nicht annehmen«, protestierte ich und streckte ihm das Geschenk entgegen. »Ich habe nichts, was ich dagegen eintauschen könnte.«
    »Mach dich nicht lächerlich.« Zeke wirkte leicht verwirrt. »Du musst mir nichts dafür geben. Sie gehört dir.« Vom Lager drang eine laute Stimme herüber, und er hob sofort den Kopf. »Komme gleich!«, schrie er zurück, dann nickte er mir noch einmal zu. »Ich muss gehen. Wir sehen uns dann beim Essen.«
    »Zeke«, rief ich leise, woraufhin er zögerte und wieder zu mir hereinspähte. »Danke.«
    Ein schiefes Grinsen huschte über sein Gesicht. »Nichts zu danken. Wir kümmern uns hier einfach umeinander.« Dann klopfte er vorsichtig gegen die Zeltwand. »Und wie gesagt: Nur keine

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