Torchwood 1: Ein anderes Leben (German Edition)
Cardiff Central, kannst du dich ein wenig sammeln, die Dinge überdenken.
Du blickst nach oben, bist halb blind vom Regen, der unaufhörlich auf dich niederprasselt. Riesige Buchstaben verkünden ,Great Western Railway‘, und lassen den neuen Namen des Bahnhofs winzig erscheinen. Über diesen riesigen Lettern zeigt die Bahnhofsuhr 20.30 Uhr an.
Jetzt weißt du, dass es keinen Ausweg für dich gibt. Der Regen peitscht unablässig auf dich ein, der Lärm rauscht schmerzhaft aus allen Richtungen heran. Der Krach und die Wut dieses Schauers überdecken alles – deinen Geruch, dein leises, unterdrücktes Stöhnen vor Schmerz und das Blut, das deine Bluse und deinen Rock durchtränkt hat. Im Gebäude wirst du kein Geld, keine Karte und keine Hoffnung haben, unbeobachtet in einen Zug zu steigen. Du musst zurück zur Bucht. Wenn dein Körper es bis dahin schafft, zu überleben.
Du gehst weg vom Bahnhof, überquerst die Straße und blickst neidisch auf die Taxis, die sich flink in den Verkehr einordnen. Du stolperst weiter, willst nicht in die Touristeninformation oder die St. Mary Street. Die Geschäfte haben sich schon lange geleert, und der Regen hängt jetzt wie ein Vorhang vor dem roten Ziegelbau. Ein stechender Schmerz in deiner Schulter entlockt dir einen Schrei, und du sinkst gegen das Fenster eines Reisebüros. Eine Werbetafel mit grinsenden Urlaubern verspottet dich hinter der Scheibe, und um dich herum fällt Licht auf die Straße. Zu deinen Füßen versagt gurgelnd eine Kanalöffnung, und große Pfützen laufen über den Rand auf den Bürgersteig.
Der Schmerz hat sich jetzt im ganzen oberen Teil deines Rückens ausgebreitet. Weil du deine Hand gegen die Wunde gepresst hast, konntest du die Blutung zurückhalten und fühlst dich jetzt etwas schwindlig. Während du den Kopf gegen das Fenster lehnst, überlegst du, wie du medizinische Hilfe bekommen kannst.
Du kannst es nicht hier enden lassen. Es muss jemanden geben, zu dem du gehen kannst. Aber zuerst mal musst du das hier überleben.
Du taumelst weiter vorbei an einer Markthalle aus Glas und Stahl. Jemand hat am Eingang Sandsäcke gestapelt, um das Wasser abzuhalten. In der Entfernung hörst du, wie das Heulen einer Polizeisirene das Geräusch des Unwetters übertönt. Und du hast deine Antwort.
Dir verschwimmt in der Fußgängerzone in der Queen Street alles vor den Augen. Die Cafés und Restaurants sind entweder geschlossen oder wegen des Sturms einsam und verlassen. Das bemerkst du aber kaum, während du dich weiterkämpfst, ein Schritt schmerzhafter als der andere. Als Mädchen hast du einmal einen Achtmillimeterfilm von einem Schulausflug ins Jodrell Bank Observatorium gesehen, und der Film war im Projektor hängen geblieben. Das Bild von winkenden Kindern vor dem Radioteleskop hatte erst geruckelt, dann war es eingefroren und schließlich verschmort, bis der Film riss und nur noch die weiße Leinwand zu sehen war. Die Leute, die im Regen an dir vorbeieilten, scheinen langsamer zu werden, das Geräusch des Regens und des Verkehrs mischt sich zu einem Hintergrundrauschen, und deine Umgebung verschwimmt … nicht weiß, sondern schwarz.
Aber du kämpfst, um wach zu bleiben. Du hast die Sirene gehört. Es muss noch eine Chance geben, sagst du dir. Da muss etwas in der Nähe des Millennium Stadiums los sein.
Und das ist es auch. Du siehst in der Ferne, von dort, woher du gekommen bist, das Blaulicht eines Krankenwagens alarmierend blinken. Die Sirene ist aus, aber das Auto fährt schnell auf dich zu. Es bremst ab, als es an die Ecke North Street und Duke kommt, und das ist deine Chance.
Du machst einen Schritt auf die Straße, vor den Krankenwagen.
Alles schwirrt vor Aktivität, ein Flirren halb erhaschter Bewegungen und Eindrücke.
Du hast mehr Glück als Verstand gehabt. In dem Krankenwagen war eine Ärztin. Hübsch, kurzes, dunkles Haar. Sie hat dir Morphium gegen die Schmerzen gegeben und nimmt deine Verletzungen zusammen mit einem Rettungssanitäter auf. Keine gebrochenen Knochen. Eine Platzwunde an der Seite des Kopfes. Zuerst glauben sie, dass du eine Betrunkene bist, die zufällig vor ihren Krankenwagen getaumelt ist. Deine zuckenden Bewegungen, dein ekelhafter Gestank und die Tatsache, dass du nicht sprechen konntest, haben sie zu dieser Annahme veranlasst. Aber ihre Haltung ändert sich jetzt, nachdem sie deine Schusswunde gefunden haben. Selbst in dem Dunst aus Schwindel und Schmerz kannst du erkennen, dass die Ärztin von ihrer
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