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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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darüber reden«, erwiderte er. »Also frag mich nicht, Ravenna. Nur eine Sache sollst du wissen: Beim Verhör erwähnte Velasco, dass die Sieben in der Nähe sind. Unsere Freunde halten sich irgendwo in diesen Bergen auf. Warum sie hier sind, weiß ich nicht, aber vielleicht erwarten sie uns. Möglicherweise hat der König sogar von dieser unseligen Wette gehört. Wir werden sie suchen. Es ist die beste Hilfe, die wir erwarten können.«
    Er hatte recht, das war wirklich eine gute Neuigkeit. Hoffnungsfrohes Herzklopfen wollte sich trotzdem nicht einstellen. »Und warum sollte dir dein Vater so etwas erzählen?«, fragte Ravenna misstrauisch. »Ich glaube nicht, dass Velasco irgendeine Veranlassung hat, uns einen Hinweis zu geben. Es sei denn, er ist der Joker in der dritten Runde.«
    Sie schaffte es tatsächlich, Lucian zum Lachen zu bringen. »Der Joker? Um Himmels willen – die Rolle des Hofnarren steht ihm wirklich nicht«, meinte er mit einem Grinsen. »Nein, er wird uns genauso manipulieren wie Beliar. Ich fürchte, unser Weg durchs Mittelalter ist vorgezeichnet, genau wie es schon in Paris der Fall war. Velasco wäre Beliar bloß gerne einen Schritt voraus. Deshalb hat er mit mir geredet.«
    Bloß geredet?, dachte Ravenna. Das meinst du nicht ernst. Sie sagte jedoch nichts.
    Inzwischen ritten sie über eine verschneite Wiese. Nichts war zu hören außer dem Knacken von Eis, den eifrigen Trabschritten ihrer Pferde und dem Klirren und Knarren des Sattelzeugs. Ab und zu brach eines der Tiere in einer überfrorenen Pfütze ein und zog den Huf schlammbedeckt heraus.
    »Das ist ein Albtraum«, murmelte Ravenna. »Wir wissen nicht genau, wo wir sind. Velasco ist hinter uns her, Beliar auch. Dein Schwert ist geborsten, mein Hexensiegel wurde gestohlen. Ich weiß nicht, aber … vielleicht schaffen wir es diesmal nicht. Vielleicht sind uns unsere Gegner dieses Mal überlegen.« Sie wollte nicht so denken, doch im Augenblick fehlte ihr die Kraft, um zuversichtlichere Gedanken zu fassen.
    »Ich weiß, wo wir sind«, erwiderte Lucian düster. »Velascos Ländereien grenzen an die Grafschaft der de Barcas. Sie reicht von hier bis zur Küste. Im Augenblick reiten wir genau an dieser Grenze entlang. Mein Vater überwacht ein Gebiet, das weiter im Landesinneren liegt. Zumindest war es früher so«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. Er blickte Ravenna an. »Velasco war nicht immer so wie jetzt. Als er ungefähr in meinem Alter war, ernannte ihn der König zum Stellvertreter dieser Region. Damals war das Reich der Sieben so groß, dass Constantin überall Verwalter einsetzte. Der Graf de Barca herrscht über die Provinz an der Küste, Velasco residierte dagegen in den Bergen. Das macht man doch nicht mit jemandem, dem man nicht vertraut. Damals muss er mir ziemlich ähnlich gewesen sein. Jedenfalls ähnlicher als jetzt.«
    Plötzlich fror Ravenna unter dem weiten, weichen Mantel. Das Gefühl hatte nichts mit der Winterkälte zu tun. Der Reiter neben ihr wirkte tatsächlich wie ein Fremder. Es war ein unheimlicher Moment, denn der junge Mann in Kettenhemd, Stiefeln und Wollmantel hätte tatsächlich Velasco sein können: jünger, weniger boshaft und ohne den dünnen Bart um Oberlippe und Kinn.
    »Was ist passiert?«, fragte sie leise. »Ich weiß, ich soll nicht fragen. Aber ich versuche doch bloß, es zu verstehen.«
    Lucian zuckte mit den Achseln. »Mein Vater hat mit mir nie über seine Vergangenheit gesprochen. Über das, was ihm zugestoßen ist und ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Ich weiß nur, dass die Anwendung schwarzer Magie Menschen verändert. Deshalb ist sie verboten. Und ich rede nicht von harmlosen Gemeinheiten, wie Vadym und seine Freunde sie gelegentlich einsetzen. Das sind bloß Taschenspielereien. Ich rede davon, dass Fluchzauber und Nekromantie immer auch auf den zurückfallen, der sie wirkt.«
    »O Gott.« Ravenna schnappte nach Luft. »Yvonne.«
    Lucian nickte. »Ganz genau. Yvonne. Ich kann nur hoffen, dass deiner Schwester bewusst ist, wie gefährlich das ist, was sie tut.«
    »Sie erwartet ein Kind«, stieß Ravenna hervor. »So wie es aussieht, kommt das Baby bald. In ein paar Tagen, schätze ich.«
    Lucians Wangenmuskeln spannten sich. Er senkte den Kopf. »Ich weiß. Ich habe es gesehen.« Als er die Zügel straffte, warf Ghost den Kopf hoch und brach seitwärts aus. Mit einem Schenkeldruck wies Lucian den Hengst zurecht.
    »Yvonne ist verwirrt«, meinte er. »So wie ich damals, als

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