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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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aufrichtiges Beileid. Aber diese Wette brachte deinem Freund kein Glück.«
    »Wo ist er?«, fragte Vadym, als habe er die Worte des jungen Ritters nicht gehört. »Er wollte gleich nachkommen. Wir chatten doch nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nichts von Bedeutung.«
    »Das stimmt nicht. Cezlav wollte uns nicht folgen«, entgegnete Ravenna wütend. »Uns an die Kopfgeldjäger verschachern – das wollte er. An Velasco und seine Männer. Und nun ist er tot.«
    »Du lügst!«, schrie Vadym und stampfte mit dem Fuß auf. »Du bist eine verlogene Chexe!«
    »Es tut mir aufrichtig leid«, wiederholte Lucian. Aus der Satteltasche zog er die Kappe hervor, die Cezlav getragen hatte, und reichte sie zur Bühne hinauf.
    Vadym stieß eine Flut russischer Verwünschungen hervor. »Nein, nein! Das darf nicht sein!«, tobte er. »Das ist gegen die Regeln!«
    Ravenna streifte die Kapuze vorsichtig ein Stück zur Seite, um die Verzweiflung und den Kummer ihres Gegenspielers einzufangen. Aber ohne eine Aufnahme von Cezlavs leblosem Körper, der still und mit Blättern zugedeckt im Wald lag, blieb diese Szene bloß eine traurige Geschichte ohne Beweiskraft.
    »Was willst du hier?«, fuhr Vadym sie an, während er sich über das Gesicht wischte. An seinem Finger blinkte der Ring der Mathematikerloge. »Jetzt bin ich an der Reihe und beantworte die Frage! Wir waren vor euch da.«
    Ravenna zuckte die Achseln. »Das entscheidet der Spielmacher«, sagte sie.
    Vom Sattel aus schwang sie sich auf die Tribüne und warf ihrem Ritter die Zügel zu. Das Podest wurde von den übrigen Russen und von den Männern des Grafen bewacht. Nun gesellten sich die Reiter des Königs dazu und wendeten die Pferde. So behielten sie die Menge im Blick. Die Hexen dagegen hielten sich am Rand des Podests auf.
    Beliar lächelte. »Ravenna hat recht.« Er trat bis zum Tribünenrand vor und wandte sich an das Publikum. »Wo befindet sich der magische Gral?«, rief er. »Diese Frage haben wir den Herausforderern zu Beginn dieser Wette gestellt. Nur wer die Antwort weiß, darf an dem Rennen teilnehmen.«
    Das Publikum stöhnte auf.
    »Ich weiß es«, brüstete sich Vadym und hielt rasch die entrollte Karte in die Höhe. Der Lichtfleck tanzte auf dem Pergament. »Der Gral befindet sich hier – auf dem Montmago. Der magische Berg. Wer würde den Gral nicht dort verstecken?«
    »Nun, Vadym«, sagte Ravenna scheinbar gelassen und stellte sich neben ihren Herausforderer. »Diese Antwort ist leider falsch. Aber vielleicht hast du ja noch eine Lösung auf Lager?«
    Vadym starrte sie an, sprachlos, als sie ihm eine zweite Chance gewährte.
    Raunen und Gelächter brandeten in der Menge auf. Die Gasse, durch die sie geritten waren, hatte sich längst wieder geschlossen, und die Leute drängten bis zur Bühne heran.
    Unsicher blickte Vadym zu Beliar. Dieser zuckte mit den Achseln. Es sollte so viel bedeuten wie: Tut mir leid, aber die Hexe sagt die Wahrheit.
    Fluchend wandte sich Vadym ab. Erneut schritt er am Rand der Bühne auf und ab, während Beliar und Ravenna geduldig abwarteten. Sie nutzte die Atempause, um sich zu sammeln. In Beliars Augen stand ein diabolisches Vergnügen – schließlich bedeutete ihre Anwesenheit, dass Velasco seine Wette verlor. Wie weit würdest du gehen, Ravenna? Plötzlich begann sie zu hoffen, dass sie es bis zum Haupttor schaffte.
    »Ah … ich hab’s! Ich hab’s!«, schrie Vadym plötzlich und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Der leere Ärmel flatterte, als er zu Beliar und Ravenna zurückkehrte. »Die wahre Gralsburg heißt Twyr Avallon. Ein Hügel in England. Auf dem Gipfel steht ein Zeittor, das direkt an den Hof von König Artus führt. Und auf der runden Tafel – was sollte dort stehen außer der magischen Schale?«
    Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Beliar zu Ravenna. Sie zog die Sache ein wenig in die Länge, indem sie den Kopf zur Seite neigte und mit der Fußspitze nachdenklich einen Spalt zwischen den Brettern nachzog. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
    »Ich muss zugeben, Vadym ist ziemlich scharfsinnig«, meinte sie ganz ohne Ironie. »Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, gegen einen Herausforderer wie ihn anzutreten. Gegen eine Knalltüte zu gewinnen ist schließlich kein großes Verdienst. Oder?«
    Sie fragte das Publikum. »Nein!«, rief ihr ein Chor von Hunderten von Stimmen zu. Die Leute amüsierten sich. Ein Frösteln lief ihr über die Arme, als sich die Erregung

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