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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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und flüsterte: »Lucian. Schau mich doch an.«
    Durch das Glas spürte sie die Vibrationen, die Beliars Hexenwerk heraufbeschwor. Es war keine Illusion – er hatte einen Riss in der Zeit erschaffen, ein winziges Tor. Der Abgrund klaffte mitten im Studio. Sie sah es, sie spürte es, und wenn sie sich nicht beeilte, würde die Hölle sie, Lucian und alle anderen verschlingen.
    Sie schloss die Augen und ließ ihre ganze Willenskraft durch den linken Arm fließen. Unter ihrer Handfläche wurde das Glas heiß. So heiß, dass es kaum noch zu ertragen war. Aber Ravenna zuckte nicht zurück.
    Ein Loch schmolz durch den Zylinder. Flüssiges Glas tropfte auf den Boden. Kälte strömte aus dem Loch, zusammen mit widerlich modriger Kerkerluft. Als das Loch weiter aufriss, ertönte zögernder Applaus, der rasch anschwoll.
    »Lucian!«
    Erst als sie ihn anfasste, hob er den Kopf. Sein Hemd war völlig durchgeschwitzt, die Muskeln hart wie zusammengedrehte Seile. Er war Jahrhunderte weit weg gewesen und wusste offenbar weder, welchen Tag man schrieb, noch, wo er war. Entschlossen fasste Ravenna ihn an den Handgelenken und zog ihn aus dem gläsernen Verlies.
    Ein Buzzer ertönte. Erst begriff sie nicht und wunderte sich, von wo das Geräusch kam. Dann merkte sie, wie es rings um sie dunkel wurde.
    »Lucian.« Sie griff an sein Gesicht und legte die Stirn an seine Wange. Sein Atem ging stoßweise. Aber er war frei, und alles andere war ihr egal.
    Als das Licht wieder anging, wurden sie von der Meute der Kameras umringt. Der Aufnahmeleiter scheute sich nicht, ihren intimsten Moment zu filmen: Wie sie Schläfe an Schläfe auf dem Podest knieten und darauf warteten, dass Lucians panisch rasender Puls langsamer wurde. Das Publikum tobte.
    »Was für ein Abend! Was für eine Entscheidung! Wahre Herausforderungen, meine Damen und Herren, und echte Tränen! Das ist das WizzQuizz, verehrte Zuschauer!«, schrie Beliar. Umgezogen und mit frisch gepuderter Glatze kam er aus der Garderobe. Die Studiogäste trampelten mit den Füßen. Lilith wischte sich unter den Augen entlang und lächelte tapfer. Vadym zog ein finsteres Gesicht.
    »Damit steht die Siegerin des heutigen Abends fest!«, jubelte Beliar. »Es ist – Ravenna!«
    Er packte sie am Handgelenk, zog sie hoch und riss ihren Arm in die Luft, um sie als Siegerin vorzuführen. Anschließend zerrte er sie vom Podium. Sie warf einen ängstlichen Blick auf Lucian. Die Assistentin und das Medium kümmerten sich um ihn. Sie reichten ihm und Lilith Papiertücher und Pappbecher mit Wasser, tupften ihnen den Schweiß von der Stirn und versicherten ihnen vermutlich ein Dutzend Mal, dass alles nur Teil der Show gewesen war.
    Von wegen, dachte Ravenna. Die Kameras begleiteten sie, doch sie war viel zu benommen, um zu begreifen, dass sie es tatsächlich geschafft hatte. Sie hatte Vadym aus dem Rennen geworfen. Gleich würde sie den ersehnten Gewinn in den Händen halten. Hunderttausend Freifahrtscheine für die Suche nach Yvonne. Ihr war schwindlig.
    Die Erkennungsmelodie setzte ein. Sie und Beliar wurden samt den beiden Koffern auf einem Podest hochgefahren und einmal durch den Saal gedreht. Lichter blitzten über ihnen.
    »Ravenna«, sprach Beliar ins Mikro. Seine Stimme hallte von allen Seiten des Raumes wider. »Ich gratuliere. Ganz ehrlich, du und Lucian, ihr habt euch ausgesprochen tapfer geschlagen. Und du hast uns allen bewiesen, dass du eine wahre Magierin bist.«
    Die beiden Koffer zwischen ihnen stiegen noch ein Stück höher. Das magische Gitter knisterte. Als Beliar mit den Fingern schnipste, verschwand es und einer der beiden Koffer wurde durchsichtig.
    Die Zuschauer stöhnten auf. Hunderttausend Euro, ordentlich gestapelt und mit Banderolen versehen. Ravenna hatte noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Bei dem Gedanken daran, dass es gleich ihr gehören würde, wurde ihr flau im Magen.
    Sie schaute zu Vadym. Er stand bei seinen Freunden. Keiner der Russen saß mehr auf der Bank. Ihre Augen glühten. Ravenna schluckte, als sie an Vadyms Warnung dachte. Ganz sicher machte der Spieler aus Sankt Petersburg keine leeren Drohungen.
    »Nun kommt alles auf deine Entscheidung an«, erklärte Beliar. »Wir haben hier zwei Koffer. Einer enthält, wie wir alle sehen können, den Hauptgewinn der ersten Runde. Hunderttausend Euro in bar. Eine stattliche Summe. Sicher würde dir das Geld bei der Suche nach deiner Schwester weiterhelfen.«
    Erneut erschien Yvonnes Bild auf der

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