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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Auch sie hatte sich dem Dämonenkönig freiwillig hingegeben. Aber ihre Kräfte reichten kaum aus, um das ihr anvertraute Element zu beherrschen – geschweige denn, um die Folgen der Verwandlung zu ertragen.
    Kopfschüttelnd schaute Yvonne die bleiche, junge Frau an, die sich an den Türrahmen klammerte. »Beeil dich lieber«, riet sie ihr. »Velasco ist schon ziemlich sauer. Er mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«
    »Er kommt nachts in meine Kammer«, wisperte Oriana. Sie warf einen ängstlichen Blick in den Gang. »Dann befiehlt er mir aufzustehen und den Kristall in der Hand zu halten. Stundenlang muss ich in der Kälte stehen und Terra magyca umklammern, während er um mich herumläuft und Beschwörungen murmelt. Ich weiß nicht, was er vorhat. Ich glaube, er ist verrückt.«
    Yvonne hob die Augenbrauen. »Setz ihn doch vor die Tür«, schlug sie vor, denn genau das hätte sie an Orianas Stelle gemacht. Allerdings hatte Velasco noch nie den Versuch unternommen, einen Fuß in ihr Gemach zu setzen.
    Statt einer Antwort entblößte Oriana ihre Schulter. Die Haut war marmorweiß, mit einem Stich ins Bläuliche. Unter dem Schlüsselbein und auf dem Rücken waren dunkle Verfärbungen zu sehen. Sie stammten eindeutig von einer harten Männerfaust. Yvonne konnte sogar die Abdrücke der einzelnen Finger unterscheiden. Aufgrund Orianas unnatürlicher Blässe wirkten die Blutergüsse wie Totenflecke.
    »Velasco spioniert seinem Sohn hinterher«, flüsterte die Satanistin. »Er benutzt den Kristall, um Lucian und Ravenna zu beobachten. Und er benutzt mich dazu, die Verbindung herzustellen – du weißt schon, die Zeitbrücke. Das wird kein fröhliches Familientreffen, wenn sich die beiden wiedersehen; das kannst du mir glauben. An deiner Stelle würde ich nicht länger hierbleiben. Wer weiß, vielleicht seid ihr auch in Gefahr, du und dein Kind.«
    »Ach – und wo soll ich hin?«, schnaubte Yvonne. »Frauen reisen im dreizehnten Jahrhundert nicht allein, schon vergessen? Ganz abgesehen davon kann ich mit diesem Riesenbauch wohl kaum reiten.« Sie dachte ernsthaft über eine Flucht aus der Burgstadt nach – das merkte sie erst, nachdem sie die Sätze hervorgestoßen hatte. Sie atmete tief aus.
    »Glaubst du, ich wüsste nicht, wer der Vater ist?«, zischte Oriana. »Die Gefahr, die dir und dem Baby droht, ist vielleicht größer, als du ahnst. Denn deine Schwester wird dir diesmal nicht helfen. Ganz sicher nicht, nachdem du ihren Liebsten verhext und verführt hast.«
    Oriana wich zurück, als Yvonne sie wütend anfunkelte. »Lucian und meine Schwester sind hier nicht das Thema«, fauchte sie. »Außerdem wird Velasco nicht zulassen, dass mir etwas passiert. Und jetzt komm endlich! Unser Auftrag lautet, alles für Beliars Rückkehr vorzubereiten. Also beeil dich! Wir treffen uns draußen auf der Terrasse.«
    Yvonnes Herz pochte vor Aufregung, als sie auf die große Freifläche hinaustrat. Streng gestutzte Buchsbäume säumten die Terrasse, die von einem Geländer aus weißem Stein begrenzt wurde. Im Hof drängten sich die Bewohner von Carcassonne. Gelächter und Jubel stiegen auf, viel zu schrill, um glaubwürdig zu sein. Krummhörner, Schalmeien, Fideln und Flöten erzeugten einen Höllenlärm. Es roch nach Sägespänen, nach Holzfeuer und Schweinefett, das in der Glut verdampfte. Das Volk der Burgstadt überschlug sich fast, um seinem neuen Herrn zu gefallen. Trotzdem tönte aus versteckten Winkeln und hinter vorgehaltenen Händen immer wieder dieselbe Verwünschung: » Maledicco! Maledicco! Verflucht sei der Hexer von Carcassonne!«
    Velasco stützte die Hände auf das Geländer und schaute auf das Treiben herab. Er tat so, als höre er nicht, was die Leute brüllten. Doch an seinem mürrischen Gesicht las Yvonne ab, dass er wütend war. Und ein wütender Hexer war gefährlicher als ein blutender Stier in der Arena.
    Sie stellte sich neben ihn. Mit glitzernden Schalen in den Händen führte eine Gruppe von Tänzerinnen ein anmutiges Schauspiel auf. Der Schmied hatte einen jungen spanischen Hengst in den Ring geführt und bot mutigen Reitern zwanzig Silbertaler an, wenn sie es wagten, sich auf den bloßen Rücken des Tiers zu schwingen. Der prachtvolle Braune keilte unablässig aus und drehte sich mit wehender Mähne im Kreis. Zur gleichen Zeit ließ ein Falkner seine Vögel in den grauen Himmel steigen, wo der Wind sie fortriss.
    »Gefällt es dir?«, erkundigte Velasco sich. Er blickte nicht einmal zu ihr

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