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Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)

Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)

Titel: Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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Strähnen auf die Schultern und wippten bei jedem Schritt vor und zurück. Der Medikus war alt, und auch wenn er heute kaum mehr im Stande war, ein Schwert zu führen, so hatte er doch in früherer Jugend das Kriegshandwerk ausgeübt. Gemeinsam mit dem alten Herzog war er, vor mehr als fünfzig Wintern, Seite an Seite in den Krieg gezogen, und vielleicht hatten die Erlebnisse von damals den Ausschlag für seine spätere Entscheidung gegeben, die Wunden zu heilen, statt sie zu schlagen.
          Nach einem längeren und für ihn durchaus beschwerlichen Aufstieg erreichte Eirik schließlich die oberste Stufe der Treppe zum Erdgeschoss. Ungeduldig, und von einem Stöhnen begleitet, sah er in die Flure zu beiden Seiten des Aufgangs.
          >> Talin, bei der Herrin wo… << Eirik hielt inne und seine Miene hellte sich auf. >> Ah, da bist du ja. <<
          Talin war gerade aus einer der Vorratskammern gekommen und sah seinen Meister entschuldigend an. >> Ihr habt mich gerufen Meister? <<    Eirik nickte. >> Hast du dir die beiden Neuankömmlinge im Labor angesehen, so wie ich es dir aufgetragen hatte? << Der Medikus setzte eine prüfende Miene auf und er sah seinem Schüler an, dass der genau wusste, welche Stunde geschlagen hatte. Es würde wieder eine seiner gefürchteten, unangekündigten Befragungen geben. Dem Medikus gefiel diese Art von Prüfung weitaus besser als die althergebrachte Methode des schriftlichen Testates und, was noch viel wichtiger war, er hatte seinen Spaß daran. Eirik schmunzelte und Talin lächelte verlegen.
          >> Wie lange sind die beiden schon tot? << Eirik hob leicht den Kopf und sah abwartend zu Talin.
          Der Junge blickte kurz nervös auf den Boden, fast so, als könne er die Antwort auf den abgelaufenen und ausgetretenen Steinen ablesen. Eirik wartete geduldig. >> Mindestens schon seit zwei Tagen, Meister Eirik. << , antwortete Talin dann hastig und lächelte. Er war sich seiner Sache offenbar sehr sicher.
          >> Und warum? << Der Medikus verzog keine Miene, gar so als habe er die richtige Antwort Talins einfach übergangen.
          Talin kannte seinen Meister gut genug um zu wissen, dass dem nicht so war. Eirik geizte einfach gerne mit seinem Lob, getreu dem Motto: Nicht getadelt ist des Lobes genug. Wieder sah der Schüler kurz zu Boden und diesmal benötigte er mehr Zeit für seine Antwort. Augenscheinlich wollte er ganz sicher gehen, und auch diesmal ließ ihn der Medikus geduldig gewähren. >> Die Muskulatur ist erschlafft, die Leichenstarre hat sich wieder gelöst. Dies geschieht spätestens nach zwei Tagen. <<
          >> Vielleicht hat sie ja noch gar nicht angefangen. << , hakte Eirik sofort nach und zog dabei eine Braue nach oben. Er wollte den Jungen verunsichern, hoffte dabei aber inständig, dass sich dieser von ihm nicht aus der Ruhe bringen ließ.
          Talin stutzte kurz und warf die Stirn in Falten. Sein Blick blieb diesmal auf Meister Eirik liegen. >> Das … das <<, er begann zu stottern, fing sich jedoch gleich wieder. >> Das ist unmöglich. Die Leichenstarre beginnt bereits zwei Stundengläser nach dem Tod und ist nach beinahe einem Dutzend Stundengläser abgeschlossen. <<
          In Gedanken sprach Eirik seinem Schüler ein großes Lob aus. Trotz der falschen Fährte hatte der sich nicht aufs Glatteis führen lassen und hielt an seinem bisherigen, und durchaus richtigen, Kurs fest. Jetzt aber wollte er es wissen. Zwei korrekte Antworten aus dem Lehrbuch zu zitieren war einfach, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen hingegen weitaus schwerer. >> Und weiter? <<. Eirik sah den Jungen aufmerksam und ohne jede Regung an. >> Was stimmt jetzt an dieser Sache nicht? <<
          Talin wurde unruhig. Er rieb sich nervös die Nase und begann damit, sein Gewicht immer wieder von einem Bein auf das andere zu verlagern.
    >> Die weiße Verfärbung? << , tastete er sich dann unsicher und wider besseren Wissens vor.
          Der Medikus schnappte kurz mit dem Mund. >> Nein! Oder … nun ja, doch aber … <<, unentschlossen begann Eirik, mit den Händen zu gestikulieren, >> Das meine ich nicht und das weißt du. Die weiße Verfärbung ist ein Rätsel, ja, aber ich wollte auf etwas anderes hinaus. << Eirik machte eine auffordernde Geste, doch Talin sah nur fragend und ratlos zugleich zu seinem Meister. Mit einem tiefen Seufzer gab der es schließlich auf und beendete die Befragung. Weitaus väterlicher als noch eben, nahm er

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