Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
Burschen. Der ließ nicht lange auf sich warten und begleitete den Medikus schließlich auf sein Zimmer. Die Rotte setzte sich auf Befehl des Hauptmanns umgehend in Bewegung, und Taris selber machte sich auf den Weg zum Herzog. Die Männer hatten Befehl, das Hospital abzuriegeln, sodass niemand ungesehen hinein oder hinaus kam. Für heute Nacht musste das genügen und was morgen geschah, wusste er selbst noch nicht.
Es war gegen Mitternacht, als Taris die Gemächer des Herzogs in der großen Feste von Leuenburg erreichte. Die herzogliche Gardewache ließ ihn ungefragt passieren, und einige Momente später betrat er die privaten Unterkünfte des Regenten Leuenburgs und Vertreters der Krone dieses Teils des Reiches. Grodwig hatte scheinbar noch nicht geschlafen. Er stand angezogen und hellwach an einem Kartentisch und brütete über einer handskizzierten Übersicht der nordwestlichen Region des Reiches. Der Herzog war ein groß gewachsener Mann mittleren Alters und überragte den ohnehin schon großen Taris um eine halbe Handbreit. Er trug eine dunkelgrüne Tunika, die am Halsausschnitt reich mit Borten verziert und an der Hüfte von einem breiten Ledergürtel zusammengehalten wurde. An den Ärmeln waren feine, braune Streifen aus Brokat und Samt eingesetzt, die knapp unterhalb der Ellenbogen in kostbaren Stickereien ausliefen. Die linke Brust über dem Herzen zierte das königliche Wappen, und direkt darunter befand sich ein blauer, leicht geschlängelter Streifen auf silbernem Grund, der den Verlauf der Leue darstellte, das Symbol des Herzogtums. Das Haar fiel in langen, schwarzen Bahnen hinter den Schultern auf den Rücken und ein kurz gehaltener Bart umrahmte die kräftige Kinn- und Mundpartie. Herzog Grodwig war sowohl Krieger als auch Politiker, und so vereinte er einen starken, drahtigen Körperbau mit wachsamem und präzisem Verstand. Seine blauen, glasklaren Augen unterstrichen den aufmerksamen Eindruck, den er vermittelte, und gemeinsam mit der normal proportionierten Nase verliehen sie ihm ein ansehnliches Aussehen.
Grodwig war überrascht, seinen Hauptmann zu so später Stunde noch zu sehen. Mit einem freundlichen Nicken grüßte er Taris und winkte ihn zu sich. Ohne große Umschweife begann der anschließend von den jüngsten Ereignissen in dieser Nacht zu berichten. Taris ließ nichts aus und verzichtete auch auf beschönigende Worte.
Grodwig hörte geduldig zu, doch verfinsterte sich seine Miene mit jedem weiteren Wort. >> Bei der Herrin, Taris! Gerade rumort es im Westen des Reiches und jetzt kommt Ihr auch noch mit derartigen Schauergeschichten zu mir! Versteht mich nicht falsch, ich glaube Euch, doch klingt das Ganze doch recht abenteuerlich. <<
>> Das kann ich verstehen, und es erging mir ähnlich, als Eirik davon erzählte. Und doch ist es die Wahrheit! <<
>> Wo ist Eirik jetzt? << , fragte der Herzog besorgt.
>> In der Garnison. Ich habe ihm angeboten, die Nacht heute dort zu verbringen <<
Der Herzog nickte dankbar. >> Gut! Weiß der Erlöser von Leuenburg schon davon? << , fragte er dann und sah auffordernd zu Taris.
Der schüttelte den Kopf. >> Nein, aber ich wollte gleich nach Euch zu ihm gehen. <<
>> Ja, tut das. Er wird Euch in dieser Sache sicherlich unterstützen und ich denke, wir brauchen die Hilfe der Kirche. << Grodwig sah Taris eindringlich an.
Obwohl der in den Worten seines Herzogs Bestätigung hätte finden können, fühlte er sich immer unwohler. Die Tatsache, dass der Herzog die Sache ernst nahm und auch sofort die Kirche ins Spiel brachte, schien alles mit einem Schlag viel realer werden zu lassen. Taris hatte Angst.
>> Widergänger sind kein alltägliches Übel, das man mit althergebrachten Methoden bekämpfen kann, Taris. Bei der Herrin … << , Grodwig stockte kurz. >> … Widergänger in Leuenburg! << Der Herzog schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr sich mit einer Hand durch das offene Haar. Ihm fiel es offenbar immer noch schwer, Taris’ Worten von eben Glauben zu schenken, doch wusste er um die Aufrichtigkeit und unbedingte Loyalität des Hauptmannes. Er würde ihn niemals belügen und nur das vehement vertreten, woran er selber wirklich glaubte.
Herzog Grodwig war außerdem ein religiöser Mensch, tief im Glauben an die Herrin verwurzelt und mit den Geschichten und Legenden der Schriften vertraut. Die Existenz
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