Tori und die verschwundene Stute
gerufen. âIn den Ferien kommen immer besonders viele Kinder! Und die sind doch so süÃ.â
So süÃ. Was, bitte schön, war an den verzogenen Rangen süÃ?
Und wo steckte Juliana überhaupt?
âKann Juliana nicht die Karten verkaufen?â, fragte Tori.
âJuliana schläft doch heute Nacht auf der Ranch. Wegen Beckyâ, erklärte Ayla. âDeshalb ist sie jetzt nach Hause gegangen.â
âWer zu spät kommt, den bestraft das Lebenâ, spottete Sina.
Tori drehte sich wortlos um und ging weg.
Mit jedem Ticket, das sie von der Rolle riss und einem Kind in die Hand drückte, wurde ihre Laune schlechter.
âDu machst ja ein Gesicht, als ob du Zahnschmerzen hättestâ, sagte eine alte Dame vorwurfsvoll. âEin freundliches Lächeln kostet doch nichts, oder?â
Das war zu viel. Tori klappte die Kasse zu.
âFeierabend für heuteâ, verkündete sie der Warteschlange, die sich vom Schreibtisch bis hinaus auf den Hof zog. âWer nicht drangekommen ist, kann am Mittwoch wiederkommen.â Am Mittwoch war Tori zur Nachtwache eingeteilt, da konnte dann Juliana die Kasse machen.
âWie bitte?â, fragte die dicke rothaarige Frau, die als Nächste an der Reihe gewesen wäre. âDas kann doch nicht dein Ernst sein! Du hast die Kasse erst vor fünf Minuten aufgemacht. Also, Frau Mirador â¦â
âFrau Miradorâ, unterbrach Tori sie, âist in Kalifornien.â Weit, weit weg. Zum Glück. Tori verstaute die Kasse in der obersten Schreibtischschublade. âTut mir leidâ, log sie. Es tat ihr kein bisschen leid.
Die Rothaarige stemmte die Hände in die Hüften. âDas lass ich mir nicht gefallen. Ich werde mich beschweren.â
Jetzt begannen die ersten Kinder zu heulen.
âUnverschämtheit!â, sagte ein Mann. âUnd dafür stehen wir stundenlang an.â
Tori hob bedauernd die Hände. Sie kam sich vor wie ihr Vater, ihre Mutter und ihr Klassenlehrer in einer Person. Ein gutes Gefühl.
Murrend und schimpfend schoben sich die Leute aus dem Büro.
Tori schloss zuerst die Schreibtischschublade ab und dann die Bürotür. Schluss für heute.
Sie hatte gehofft, dass die Leute sich verzogen hatten, aber sie standen immer noch im Hof, als Tori aus dem Büro kam. Sie scharten sich um einen hageren Mann mit Dreitagebart, den Tori schon mal irgendwo gesehen hatte. Er hatte nicht in der Schlange im Büro gestanden, da war sie sich ziemlich sicher. Woher kannte sie das Gesicht?
âIst ja auch vollkommen egalâ, murmelte sie. Sina und die anderen Pferdemädchen würden schnell mitkriegen, dass Tori den Ticketverkauf vorzeitig beendet hatte. Sie würden gleich vom Roundpen zurückkommen. Und Tori hatte keine Lust, sich ihre Vorwürfe anzuhören.
Ob sie noch einmal bei Becky vorbeischauen sollte, bevor sie nach Hause fuhr? Aber heute Vormittag war die Stute ganz ruhig und entspannt gewesen, sicher würde es noch Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bis das Fohlen zur Welt kam.
Mit zielstrebigen Schritten ging Tori an der Gruppe vorbei, die sich um den groÃen Hageren versammelt hatte. Kurz bevor sie auf ihr Fahrrad stieg, drehte sie sich noch einmal um und begegnete dem Blick des Mannes. Ein paar Sekunden lang starrten sie sich an, dann senkte der Fremde die Augen. Er verteilte irgendetwas an die Umstehenden. Karten oder Prospekte.
Wo zum Teufel hatte sie sein Gesicht schon einmal gesehen?, überlegte Tori, als sie vom Hof fuhr. Sie kam einfach nicht drauf.
Vielleicht hatte sie eine böse Vorahnung, vielleicht war ihr auch nur der Ãrger auf den Magen geschlagen. Die ständigen Auseinandersetzungen mit Sina, die blöden Typen auf dem FuÃballfeld und zum Abschluss noch der bescheuerte Ticketverkauf. Auf jeden Fall brachte sie beim Abendessen keinen Bissen runter.
âWas ist denn los mit dir?â, fragte ihr Vater. âDu bist so still.â
âSonst quatsch ich dir doch immer viel zu viel.â Tori stand wütend auf. âIch geh heute früh schlafen. Ich muss schlieÃlich fit bleiben.â
âIch wünschte nur, du würdest dich â¦â, begann ihre Mutter. Den Rest des Satzes hörte Tori nicht mehr, weil sie schon im Flur war. Sie kannte die Fortsetzung aber. Ich wünschte nur, du würdest dich für die Schule auch so einsetzen wie für die Ranch.
In ihrem Zimmer hatte sie
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