Tori und die verschwundene Stute
ein. âHabt ihr den Typ auch bemerkt?â, fragte sie, nachdem sie ihn den anderen beschrieben hatte. âIch hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass ich ihn schon mal gesehen habe. Aber ich komm einfach nicht darauf, woher ich ihn kenne.â
Es war zum Verrücktwerden. Die Erinnerung war wie ein scheues Pferd. Immer wenn Tori sich ihr ein Stück weit genähert hatte, schreckte sie auf und galoppierte davon.
âMir ist niemand aufgefallen. Ich hatte aber auch alle Hände voll damit zu tun, die wütenden Leute wieder zu beruhigenâ, sagte Sina. âWas hat der Typ denn gemacht? Hatte er ein Kind dabei?â
âNicht dass ich wüsste. Ich glaube, er hat irgendwas verteilt. Handzettel oder Prospekte.â
âNa, das ist doch schon mal was. Die können ja nicht alle weg seinâ, erklärte Myriam. âVielleicht gucken wir zuerst mal in die Mülltonne. Meistens schmeiÃen die Leute Werbezettel nämlich direkt wieder weg.â
âDie Tonne stand aber gar nicht auf dem Hofâ, sagte Hannah zerknirscht. âIch hab vergessen, sie aus dem Schuppen zu holen.â
âDa war so eine groÃe, dicke Rothaarigeâ, erinnerte sich Tori. âDie war mit ihrem Kind da und stand direkt neben dem Fremden. Vielleicht hat sie einen Zettel mitgenommen. Kennt die eine von euch?â
âDas könnte Frau Günzel seinâ, überlegte Hannah. âHatte sie ein kleines Mädchen dabei? Eine Blonde mit Brille?â
âKeine Ahnung. Ich schau mir die Kinder nicht so genau anâ, erwiderte Tori. âDie Frau war auf jeden Fall total sauer, dass ich so früh mit dem Kartenverkauf aufgehört habe. Wollte sich sogar beschweren. Ich frag mich nur, bei wem.â
Sina murmelte etwas, was Tori nicht richtig verstand . Sie beschloss, nicht darauf einzugehen.
âWeiÃt du, wo diese Frau Günzel wohnt?â, fragte sie Hannah.
âBei uns in der Nähe. Ich müsste meine Mutter fragen, wo genau.â
Aber das konnte erst am nächsten Morgen geschehen. Hannahs Mutter hatte nämlich keine Ahnung, dass ihre Tochter noch einmal zur Ranch gefahren war. AuÃer Juliana, die ja auf der Ranch übernachten sollte, hatte keines der Pferdemädchen seine Eltern informiert. âBesser, ihr schleicht euch einfach aus dem Haus und lasst euch nicht auf lange Diskussionen einâ, hatte Tori ihren Freundinnen geraten, als sie sie angerufen hatte.
âGünzel.â Myriam tippte schon auf ihrem iPhone herum. âDas ist kein sehr häufiger Name. Vielleicht finden wir ihre Telefonnummer.â
âWillst du sie jetzt noch anrufen?â Juliana schielte unbehaglich auf ihre Armbanduhr. âEs ist Viertel vor elf. Und keine von uns kennt diese Günzel. Die legt doch sofort wieder auf.â
Die anderen gaben ihr widerstrebend Recht.
âIst sonst noch irgendjemandem was aufgefallen?â, fragte Sina.
Schulterzucken. Myriam kritzelte Smileys auf den Block, auf dem bisher nur die Namen âJonas Spitzerâ und âFrau Günzelâ standen. Hannah kaute an ihren Fingernägeln. DrauÃen vor dem Fenster hörte man Fritz heulen. Du liebe Zeit, wurde der denn gar nicht müde?
âWas machen wir bloà mit ihm?â, fragte Juliana. âWenn der noch lange weiterschreit, rufen die Fischers die Polizei.â
âWir müssen ihn irgendwie ruhigstellenâ, sagte Sina.
âBaldrianâ, schlug Tori vor.
âHä?â, fragte Sina.
âDas nimmt Sue, wenn sie nicht einschlafen kannâ, erklärte Tori. âSie hat das Zeug bestimmt im Haus.â
âDu kannst Fritz doch kein Schlafmittel geben!â, protestierte Hannah. âWas ist, wenn er zu viel davon erwischt und nicht mehr aufwacht?â
âBaldrian ist ganz harmlosâ, meinte Tori. âUnd rein pflanzlich. Wir geben ihm einfach eine kleine Dosis und warten ab, was passiert.â
âZu Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apothekerâ, murmelte Sina.
âBaldrian hat keine Nebenwirkungenâ, sagte Tori. Das behauptete Sue zumindest immer. âUnd das einzige Risiko ist, dass es vielleicht nicht wirkt. Wir haben nichts zu verlieren.â
Die anderen zögerten.
Fritz röhrte wie ein Hirsch in Todesnot.
âAlso gut. Einen Versuch ist es wertâ, seufzte Sina.
Sie fanden das Fläschchen mit Sues Baldrian im Medizinschrank im Bad, träufelten vierzig
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