Tori und die verschwundene Stute
Tropfen auf zehn Zuckerwürfel und boten sie Fritz an. Der Esel verschlang sie, als wäre er am Verhungern. Zucker bekam er sonst nie.
Ein paar Sekunden lang war er tatsächlich still. Zufrieden leckte er sich das Maul.
Aber dann fiel ihm wieder ein, dass er Betty vermisste, und er begann aufs Neue zu brüllen.
IAAAAH , machte er. IOOOOH!!!
Die Mädchen streichelten ihn abwechselnd, sie kraulten ihn hinter den Ohren, sie redeten ihm gut zu, sie gaben ihm Heu und altes Brot und Karotten, aber Fritz wollte nicht getröstet werden und er wollte auch nichts fressen. Er wollte Betty. Und zwar schnell.
âEs hat keinen Sinnâ, sagte Tori irgendwann. âWir können genauso gut wieder reingehen.â
âDer hört nie aufâ, meinte Juliana düster, als sie wieder in der Küche waren. Aber nach einer Weile wurde das Gebrüll immer leiser, bis es schlieÃlich ganz verstummte.
Bevor sie nach Hause fuhren, schauten sie noch einmal nach dem Esel. Er lag zur Seite ausgestreckt in seinem Paddock und schlief friedlich. Vielleicht träumte er von Betty.
âDas ist un-er-träg-lich!â Frau Fischer wedelte mit einem Putzlappen vor Toris Nase herum. Sie war aus dem Haus gestürzt, als Tori auf ihrem Fahrrad um die Ecke gebogen war. Nun stand sie breitbeinig mitten auf dem Radweg und zerhackte ihre Worte in lauter kleine, harte Silben. âEine Zu-mu-tung! Heute Morgen um fünf ging der Lärm los. Und seitdem hat dieses Vieh kei-ne Ru-he mehr gegeben. Das ist Ter-ror! Das Tier muss zum Schweigen gebracht werden, und-zwar-so-fort!â
Die Ursache der Beschwerde war nicht zu überhören. Fritz hatte seinen Klagegesang wieder aufgenommen. Offensichtlich war er gut erholt aus seinem Baldrian-Schlaf erwacht. Das Gebrüll scholl über den Zaun der Ranch durch die ganze Nachbarschaft.
âWas sollen wir denn machen?â, fragte Tori. âWir können ihn doch nicht knebeln!â
âEs ist mir vollkommen gleichgültig, was ihr macht!â Frau Fischer kam Tori immer näher. Der nasse Lappen flatterte durch die Luft. Winzige Wassertropfen sprühten in Toris Gesicht. Oder war das Frau Fischers Spucke?
Tori wich einen Schritt zurück, aber Frau Fischer folgte ihr.
âIch rufe das Ordnungsamt an!â, zischte sie.
âTun Sie, was Sie nicht lassen könnenâ, sagte Tori.
âUn-ver-schämt-heit! Das Tier muss weg!â Frau Fischer knallte mit dem Putzlappen wie mit einer Peitsche. Tropfen sprühten. Tori wich zurück, Frau Fischer rückte auf.
âMein Neffe ist Rechtsanwalt, ich werde ihn informieren. Ihre saubere Frau Mirador wird sich noch wundern.â
Hier war Argumentieren zwecklos. Tori ergriff die Flucht. Sie sprang auf ihr Fahrrad, trat in die Pedale und stellte sich dabei vor, wie Frau Fischer mit dem Putzlappen nach ihr zielte. In geduckter Haltung schoss sie durch das Tor auf die Ranch.
Am Fahrradständer wartete Juliana. âHat die Fischer dich erwischt?â, fragte sie aufgeregt. âSie hat vorhin schon hier angerufen und sich beschwert. Die alte Hexe ist so was von furchtbar!â
Julianas Augen waren rot gerändert und geschwollen, als hätte sie die ganze Nacht geweint.
âEine Zu-mu-tungâ, sagte Tori. âSind die anderen schon da?â
âDa kommen Sina und Viktor!â Juliana wies mit dem Kinn zum Tor.
âMannomann, da drauÃen ist vielleicht was losâ, keuchte Viktor, als er neben Tori vom Rad sprang.
âKriegâ, erwiderte Tori. âFrau Fischer im Kampf gegen die Sunshine Ranch.â
âSie ist komplett verrückt gewordenâ, sagte Sina. âSie hat versucht, sich an meinem Gepäckträger festzuhalten. Ich musste mich richtiggehend losreiÃen.â
âFritz ist auch verrückt gewordenâ, meinte Juliana düster. âIch weià wirklich nicht mehr, was ich mit ihm machen soll.â
âWir bringen ihn erst mal auf die Weideâ, entschied Tori. âDa ist zumindest der Abstand zu den Fischers gröÃer.â
âDafür nervt er die anderen Pferdeâ, sagte Viktor.
âVielleicht bringen die ihn ja zur Vernunftâ, meinte Tori. âSo von Tier zu Tier. Wer weiÃ?â
âApropos Tier: Wo steckt eigentlich Washington?â, fragte Sina.
âEr hat sich in der Scheune verkrochenâ, entgegnete Juliana. âDer erträgt das Gebrüll auch nicht mehr.â
âMir
Weitere Kostenlose Bücher