Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
wie zum Beispiel die Form der Samenzellen oder ihre Navigationsfähigkeiten, aber immerhin erfährt man etwas.
Der Test ist viel aufwendiger als ein Schwangerschafts- oder Eisprungtest. Hier genügt es nicht, auf einen Teststreifen zu pinkeln. Oh nein, dieser Test verlangt eine sorgfältige Planung und ein anständiges Grundwissen in Sachen Chemie. Das bereitet mir ein bisschen Sorgen, weil ich in der Schule alle naturwissenschaftlichen Fächer abgewählt hatte, sobald ich konnte. Und sollte es mich beunruhigen, dass die Gebrauchsanleitung in ›chinesischem Englisch‹ verfasst wurde?
Ich erzähle meiner Freundin Jules von dem Test, für den Reagenzgläser, ein Thermometer und ein Trichter erforderlich sind, und sie bittet mich, den Versuch durchführen zu dürfen. »Ich kann einen Bunsenbrenner mitbringen«, bietet sie enthusiastisch an. Ein paar Stunden später erzähle ich meiner Freundin Brandy von dem Test, und sie ist genauso versessen darauf, an einem wissenschaftlichen Experiment teilzunehmen, wie Jules.
Was hat es bloß auf sich mit Lesben und Sperma? Oder geht es ihnen bloß um die Wissenschaft? Von all meinen Freundinnen sind es ausgerechnet die beiden lesbischen Frauen, die darauf bestehen, Chris’ Sperma zu untersuchen. Da ich keine von beiden beleidigen möchte, beschließe ich, in drei Tagen eine kleine Party mit dem Spermatest als Höhepunkt zu veranstalten. Laut Gebrauchsanweisung müssen wir so lange warten, weil Chris für optimale Testbedingungen nach seiner letzten Ejakulation drei Tage lang enthaltsam sein muss.
Ein paar Stunden später ruft Brandy zurück, um Bedenken zu äußern. Ihr Kollege Patrick ist entsetzt, dass wir auf Chris’ Kosten einen öffentlichen Spermatest veranstalten. Er meint, so etwas sei eine ganz heikle Sache für einen Mann, und Chris wolle bestimmt kein Publikum dabeihaben, besonders wenn die Ergebnisse schlecht ausfielen. Patrick will wissen, ob wir Chris’ Erlaubnis hätten.
Mir ist nicht in den Sinn gekommen, dass Chris irgendwelche Einwände gegen Zuschauer haben könnte. Es ist ja nicht so, als würden wir alle um ihn herumstehen und ihm beim Onanieren zusehen. Und was die Anzahl seiner Spermien betrifft: Ich habe im Freundes- und Familienkreis keinen Hehl aus meinen beschissenen Eizellen gemacht, also bin ich automatisch davon ausgegangen, dass Chris genauso offen mit seinem Sperma umgeht. Je mehr ich allerdings darüber nachdenke, desto mehr verstehe ich, dass Patrick vielleicht nicht unrecht hat. Ich fühle mich nicht weniger weiblich, nur weil ich lausige Eizellen habe, aber in unserer Kultur gilt ein Mann mit miesen Samenzellen als weniger maskulin. Ich informiere Brandy und Jules, dass die Party auf Eis liegt, bis ich mit Chris gesprochen habe.
Es stellt sich heraus, dass Chris seine Identität nicht an die Anzahl seiner Spermien knüpft, und er ist einverstanden, dass Jules und Brandy den Test durchführen. Weder Chris noch ich besitzen eine gute Feinmotorik, darum sind wir froh, dass wir die praktische Durchführung an unsere Freundinnen delegieren können. Ich frage Chris noch einmal, ob er wirklich kein Problem mit der Spermaparty habe. »Was passiert, wenn du zu wenige Spermien hast?«, frage ich.
»Dann ist es eben so, und wir werden uns gegebenenfalls damit auseinandersetzen«, erwidert Chris gelassen.
Kurz vor der Party spüre ich leichte Unruhe. Na gut, in Wahrheit bin ich wahnsinnig nervös. Ich wundere mich über meine Reaktion. Und darüber, dass es mir wirklich wichtig ist, ob Chris zeugungsfähig ist oder nicht. Ich führe meine Nervosität nicht darauf zurück, dass ich mir im tiefsten Innern ein Kind wünsche. Vielmehr glaube ich, es hat mit der Einschränkung unserer Möglichkeiten zu tun. Wenn wir uns tatsächlich für ein Kind entscheiden, wird die Befruchtung meiner minderwertigen Eizellen ohnehin schon schwer genug. Ich schätze, falls Chris auch Fruchtbarkeitsprobleme hat, können wir die Sache endgültig knicken.
Während der Vorspeise und des Hauptgangs kreist die Unterhaltung hauptsächlich um die Anleitung für den Spermatest und die dafür erforderliche Ausstattung. Jules lässt keinen Zweifel daran, dass sie die führende Wissenschaftlerin ist und Brandy ihre Laborassistentin. Jules nimmt ihre Verantwortung ernst. Eigentlich fehlt ihr nur noch der weiße Kittel.
Nach dem Essen entschuldigt sich Chris mit den Worten: »Schätze, das wird das einzige Mal in meinem Leben sein, dass es gesellschaftlich akzeptiert ist, dass
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