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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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mit sich herum. Aber natürlich wäre er nicht so dumm, sie einzuschalten. Er ging einige Schritte in den Kellergang hinein und wartete, bis seine Augen sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Vor allem achtete er auf Geräusche. Da war doch etwas! Er lauschte. Dann hob er den Kopf und suchte die Quelle des Klopfgeräusches.
Tata ta tata.
Es kam aus den Heizungsrohren. Er machte vorsichtig zwei Schritte den Gang hinab, in dem er nun wenigstens schemenhaft die Wände erkennen konnte. Etwas knirschte unter seinen Sohlen. Er erstarrte in der Bewegung, ging langsam in die Knie und tastete behutsam den Boden ab. Glassplitter. Plötzlich hörte er Schritte hinter sich auf der Treppe. Mit einer raschen Bewegung drückte er sich gegen die Wand und wartete, die Waffe auf das hellgraue Viereck des Ausgangs gerichtet. Ein Schemen erschien dort und blieb kurz stehen. Aivars hörte, wie eine Hand mehrmals einen Schalter betätigte, ohne dass etwas geschah. Jetzt wurde ihm klar, was die Glassplitter bedeuteten. Jemand hatte die Glühbirnen kaputtgeschlagen.
    Das Display eines Handys leuchtete auf. Es kam ein paar Schritte auf ihn zu. Dann war es plötzlich verschwunden. Aivars starrte in die Dunkelheit. Schritte entfernten sich. Mit drei Sätzen war er an der Stelle, wo er das Handy zuletzt gesehen hatte. Da entdeckte er den Spalt in der Mauer, wo eine schmale Treppe abwärts führte. Er zwängte sich hindurch und stand plötzlich in einem tiefer gelegenen Gang. Das Klopfen erklang erneut. Diesmal lauter.
Tata ta tata.
Der Gang führte sowohl nach rechts als auch nach links. Wer immer da soeben gekommen war, war nach links gegangen. Er hörte die Schritte der Person noch. Sollte er in die gleiche Richtung gehen? Er zog den Kopf ein und nahm die Verfolgung auf.
    Etwa alle zehn Meter zweigte ein Gang vom Hauptgang ab. Vermutlich eine Querverbindung, dachte Aivars in dem Bemühen, die Struktur der Örtlichkeit zu begreifen. Es war auffällig warm hier unten. Dicke Rohre liefen unter der Decke entlang und machten das aufrechte Gehen schwierig. Es mussten Fernwärmerohre sein.
    Plötzlich hielt er inne. Mitten im Gang vor ihm stand jemand. Er drückte sich gegen die Wand, hielt seine Augen jedoch unablässig auf den dunklen Schemen gerichtet, der dort vor ihm in der Finsternis aufzuragen schien. Oder täuschte er sich? Spielten ihm seine überanstrengten Augen einen Streich? Und wer konnte das sein? Wer trieb sich denn alles hier unten herum? Irgendein Mieter, der etwas aus seinem Keller holen wollte? Aber ohne Licht? Ohne Taschenlampe? Er hob den Arm und richtete seine Waffe auf den Schatten. Der aber war schon nicht mehr da. Der Gang lag in einheitlichem Dunkelgrau vor ihm, in der schwarzen Umfassung der ihn begrenzenden Wände. Dann hörte er plötzlich die Stimme des Mädchens.
    »Mirat?«, rief sie. »Bist du da?«
    Sie war ein ganzes Stück weiter hinten. Aber er hatte die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Mit erhobener Waffe schlich er gebückt weiter und fieberte dem Moment entgegen, da er ihren Schatten sehen würde. Er würde nicht warten, bis er sie beide im Visier hätte. Zu kompliziert und zu riskant. Auch sein ursprünglicher Plan, das Mädchen mit einer Kugel aus einer Polizeiwaffe hinzurichten, war leider zu aufwendig. Er dachte noch darüber nach, als der Schemen unvermittelt nur wenige Meter vor ihm wieder auftauchte. Aivars hob die Waffe und schoss. Der Schemen wurde herumgerissen und stürzte mit einem schrillen Schrei zu Boden. Aivars hatte die Waffe bereits gesenkt, um zwei Fangschüsse auf das liegende Opfer abzufeuern. Doch im Lichtblitz des Mündungsfeuers hatte er gesehen, dass hinter dem stürzenden Körper noch eine weitere Person stand. Der Bulle!, durchfuhr es ihn, während er blitzschnell die Waffe wieder hob und vier Schüsse abgab. Im grellen Licht sah er, dass jeder Schuss getroffen hatte. Der Bulle brach unter grotesken Zuckungen zusammen. Einige Augenblicke war Aivars geblendet. Rote und gelbe pulsierende Flächen tanzten vor seinen Augen. Pulvergestank stach ihm in die Nase. Das Mädchen, sagte er sich und richtete die Waffe erneut Richtung Boden, wo sie hingefallen sein musste. Er hatte noch fünf Schüsse.
    Aber er kam nicht mehr dazu, noch einmal zu schießen. Aus der völligen Stille des Kellerganges hinter ihm drang plötzlich ein ganz schwaches Pfeifen an sein Ohr. Es war ein Geräusch, das er noch nie gehört hatte. Fast gleichzeitig spürte er einen sengenden, brüllenden

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