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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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begann, soll sie die Schleuder gespannt und geschossen haben.«
    »Und wie wurde sie dann verletzt?«, gab Sina zu bedenken.
    »Das ist die Frage«, erwiderte Udo. »Der Schütze hat im Todesreflex noch einmal abgedrückt. Eine seiner Kugeln steckte in seinem Schenkel. Er kann durchaus noch zwei oder drei Mal geschossen haben.«
    »Und wie soll er das Mädchen getroffen haben, wenn es hinter ihm stand?«
    »Sie hat wahrscheinlich einen Querschläger abbekommen. Bei Schießereien auf so engem Raum ist so gut wie alles möglich. Aber wie gesagt, das ist Friesers Theorie, nicht meine.«
    »Und wie lautet deine?«
    »Ich glaube, dass dieser Mirat geschossen hat. Krawczik hat herausgefunden, dass der Junge das Mädchen offenbar schon einmal mit seiner Schleuder beschützt hat. Irgendwelche braunen Dumpfbacken haben sie letzte Woche vor dem LIDL auf dem Wilhelmsruher Damm angemacht. Mirat hat den Typen Beine gemacht, indem er ein Loch in einen Glascontainer geschossen hat. Es liegt ziemlich nahe, dass er den Typen umgepustet hat.«
    »Aber warum sagt das Mädchen nichts?«
    »Entweder sie hat wirklich einen Blackout. Oder sie will diesen Mirat nicht belasten. Wir haben ihre Fingerabdrücke«, sagte er. »Sie hat die Schleuder auf jeden Fall in der Hand gehabt. Das ist sicher. Aber es ist nicht klar, wann und ob sie geschossen hat. Wir haben mehrere Zeugenaussagen, dass die Schleuder dem Jungen gehört. Dieser Mirat kann durchaus hinter dem Schützen gestanden und ihn von dort aus erledigt haben. Ich meine, mit so einer Zwille muss man ja umgehen können.«
    Sina war nicht überzeugt. »Warum verteidigt sie sich nicht gegen den Vorwurf, den Mann getötet zu haben? Das verstehe ich nicht.«
    Brenner verzog den Mund. »Wie gesagt. Wenn sie es nicht war, dann muss es der Junge gewesen sein. Vielleicht will sie ihn decken. Oder sie phantasiert, kann sich einfach nicht erinnern. Wahrscheinlich überlegt sie es sich noch mal. Ich denke, ihre Anwältin wird sie schon noch zum Reden bringen.«
    Sie unterbrachen ihr Gespräch wieder, während die Bedienung die Getränke vor ihnen abstellte.
    »Was ist mit dem Schützen? Wer ist er?«, wollte Sina wissen.
    »Ein Lette. Er heißt Aivars Ozols. Lebt in Riga. Viel mehr war über ihn noch nicht in Erfahrung zu bringen. Der Mann betreibt so eine Art privaten Sicherheitsdienst. Zieten hat ihn engagiert, um seine entführte Tochter zu finden.«
    Sinas Miene verdüsterte sich.
    »Das hört sich ja nett an«, stieß sie wütend hervor. »Ein Profi also.«
    Brenner zog die Augenbrauen hoch. »Ich sage dazu nichts, Sina. Zieten ist eine einflussreiche Figur des öffentlichen Lebens. Seine Tochter war verschwunden. Da kann ihm niemand einen Vorwurf machen, dass er professionelle Hilfe engagiert hat.«
    »Professionelle Hilfe? Wie wäre es, genau das zu tun, was jeder Bürger in so einem Fall zu tun hat: nämlich zur Polizei zu gehen?«
    »Zieten behauptet, die Polizei würde Vermisstenfälle immer erst nach Tagen ernst nehmen. Er habe nicht so lange warten wollen. Außerdem sei sein Vorgehen durch die Vorfälle ja wohl bestätigt worden. Da ein Polizeihauptkommissar seine Tochter entführt hatte, hätte er von der Polizei wohl wenig Hilfe erwarten können.«
    »Als hätte er das gewusst«, rief Sina wütend. »Begreifst du das? Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn!«
    »Nein«, sagte Brenner kurz angebunden. »In der Tat. Aber ich sehe in Martins letzten Lebenswochen ziemlich wenig, was einen Sinn ergibt.«
    Sina trank einen Schluck von ihrer Apfelsaftschorle, bevor sie antwortete: »Dann ist also dieser Ozols bei Martin eingebrochen.«
    »Hm«, entgegnete Brenner skeptisch. »Frieser geht davon aus, dass Zollanger abhauen wollte. Er wusste, dass wir nur noch ein paar Stunden davon entfernt waren, ihn als Täter zu identifizieren. Schon durch die Mietwagenabfrage wäre er aufgeflogen.«
    »Eben«, entgegnete Sina ärgerlich. »Das ist doch einfach Schwachsinn. Martin muss klar gewesen sein, dass wir ihn in null Komma nichts fassen würden.«
    »Sina«, unterbrach Udo, »Martin hat nicht vernünftig gehandelt …«
    »… auf wen hat er in seiner Garage geschossen?«, schnitt sie ihm das Wort ab.
    »Woher soll ich das wissen? Ich will ja gar nicht ausschließen, dass der Typ schon hinter ihm her war und ihn bis nach Reinickendorf verfolgt hat. Leider ist der Mann aber tot, und wir können ihn nicht mehr befragen. Unsere Rolle in der ganzen Sache ist derart unrühmlich, dass wir

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