Torso
benutzt? Sie konnte doch gar nicht damit umgehen. Mirat! Was war mit ihm?
Er sitze in Untersuchungshaft, sagte die Frau. Er sei ebenfalls verdächtig, habe kein Alibi für die Tatzeit. Mehrere Personen hätten bestätigt, dass er der Eigentümer der Steinschleuder sei. Und seine Fingerabdrücke seien auch auf dem Plastikgriff. Ob Mirat auch dort unten gewesen sei?
Elin überlegte lange. Dann sagte sie, sie könne sich an nichts erinnern. Sie habe die Schleuder und die Munition aus dem Versteck geholt. Das wisse sie noch. Und da sei Mirat nicht dabei gewesen. Aber was später geschehen war, wisse sie nicht mehr.
Vera Kornmüller blickte sie aus ihren wässrigblauen Augen ernst an und bat sie, diese Aussage auf keinen Fall zu wiederholen. Es seien noch sehr viele tatorttechnische Ermittlungen im Gang, und ihre Erinnerung sei möglicherweise von den vielen Medikamenten beeinträchtigt, die sie wegen ihrer Schussverletzung bekommen hatte.
Elin nickte. Dann war sie bereits wieder zu schwach, weiterzusprechen, und schlief ein.
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58
B renner betrat das italienische Restaurant in der Ackerstraße gegen halb zwei. Er war nicht früher weggekommen und hatte außerdem auf der Invalidenstraße fast zwanzig Minuten im Stau gestanden. Sina saß an einem Ecktisch und hob nur kurz die Hand, als er hereinkam.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Stau.«
»Ich war auch zu spät«, sagte sie und schob ihm die Karte hin. »Hier. Ich nehme nur einen Salat.«
Brenner kommentierte das nicht. Gut, dass sie überhaupt etwas aß. Sina sah furchtbar aus. Sie hatte Ringe unter den Augen. Ihre braunen Haare steckten unter einem Kopftuch, was ihre Wangenknochen und ihre großen dunklen Augen stärker hervortreten ließ. Brenner überflog die Karte, konnte sich wie üblich nicht entscheiden und bestellte schließlich eine Lasagne und ein kleines Bier.
»Geht’s dir besser?«, fragte er dann. »Die anderen fragen nach dir. Was soll ich sagen?«
»Gar nichts. Und du? Wie geht es dir?«
Udo Brenner zuckte mit den Schultern. Er hätte sich nach dem Horror der letzten Woche auch am liebsten krankgemeldet. Aber dann hatte er es nicht getan.
»Immer wenn ich an seinem Schreibtisch vorbeigehe, könnte ich losheulen«, sagte er. »Aber zu Hause würde mir die Decke auf den Kopf fallen. Die Arbeit lenkt wenigstens ab.«
Sina nickte und schaute kurz aus dem Fenster. Brenner senkte die Stimme etwas und sagte: »Die Obduktionsberichte sind da.«
Sie nickte. »Und?«
Brenner schaute sich um. Aber dank seiner Verspätung saßen keine anderen Mittagsgäste mehr in Hörweite.
»Alle vier Kugeln haben getroffen. Zwei davon waren tödlich, eine im Hals und eine punktgenau auf dem Aortenbogen.«
Er machte eine Pause. Dann fügte er hinzu: »Wenigstens dürfte er kaum etwas gespürt haben.«
Sina zeichnete mit ihrer Gabel Linien auf ihre Serviette.
»Und der Rest?«
Brenner holte einen Umschlag hervor. »Hier«, sagte er. »Willst du es nicht lieber selbst lesen?«
»Nein. Ich bin außer Dienst. Erzähl es mir bitte.«
Die Bedienung kam. Brenner bestellte. Dann fuhr er fort: »Sie haben seine Krankenakte aus Steglitz mit herangezogen. Zollanger hatte noch ein bis zwei Jahre zu leben. Das erklärt nicht unbedingt seinen Amoklauf. Aber in einen Kugelhagel hineinzulaufen ist auch ein Weg, ein Krebsleiden zu beenden. Jedenfalls deutet nichts darauf hin, dass er versucht hat, diesem Typen auszuweichen. Er ist stehen geblieben wie eine Schießbudenfigur.«
Sinas Gabel hatte das Serviettenpapier durchgewetzt. Sie legte sie zur Seite und sagte: »Wie weit sind die Ballistiker?«
»Die arbeiten noch«, antwortete Udo Brenner. »Aber der Ablauf ist einigermaßen klar. Zollanger hat sich dem Schützen in den Weg gestellt.«
»War er nicht bewaffnet?«
»Nein.«
»Und seine Dienstwaffe?«
»Verschwunden.«
Sina erwiderte nichts. Noch ein Rätsel.
»Entweder hat er nicht damit gerechnet, dass der Mann sofort schießt. Oder er hat einfach noch eine Unbegreiflichkeit auf die anderen gehäuft. Auf jeden Fall ist er dem Mann unbewaffnet gegenübergetreten. Der Schütze hat aus drei oder vier Meter Entfernung gefeuert und Zollanger mit vier Schüssen getötet. Das ist unbestritten.«
»Und das Mädchen?«, fragte Sina.
»Sie kann sich an absolut nichts erinnern.«
»Wo ist sie?«
»Noch im Krankenhaus. Aber sie kommt wohl noch vor Weihnachten in U-Haft. Frieser will beweisen, dass sie hinter dem Schützen gestanden hat. Als der zu feuern
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