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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Schmerz am Hinterkopf. Dann erlosch sein Bewusstsein. Ein letzter Schuss löste sich noch, während er fiel. Die Kugel bohrte sich in seinen rechten Oberschenkel. Aber Aivars Ozols spürte davon nichts. Das zerfetzte Gehirn in seinem von einer Ladung Zündkerzenschrot durchschlagenen Schädel registrierte keine Empfindungen mehr.

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57
    S ie konnte sich kaum rühren. Jede Bewegung schmerzte. Ihr Hals fühlte sich trocken an. Wie lange lag sie hier schon? Sie wandte leicht den Kopf und betrachtete verständnislos den Nachttisch, auf dem ein ganzes Sammelsurium von Medikamenten herumlag. Dann sah sie die Schläuche. Einer führte zu einer Nadel, die in ihrer linken Armvene steckte. Ein anderer verschwand irgendwo in ihrem Unterleib. Sie sah ein vergittertes Fenster, hinter dem es dunkle Nacht war. Dann schlief sie wieder ein.
    Als sie das nächste Mal zu sich kam, war jemand damit beschäftigt, irgendetwas über ihrer linken Brust zuzukleben. Der Mann lächelte ihr zu, als er bemerkte, dass sie zu sich gekommen war. Sie wollte etwas sagen, aber er schüttelte nur leicht den Kopf und legte seinen rechten Zeigefinger sanft auf ihre Lippen. Dann sah sie, wie er an einem der Schläuche herummachte, und kurz darauf wurde wieder alles weich und schwarz und still.
    Die meiste Zeit verbrachte sie in einem traumlosen Tiefschlaf. Nur manchmal, kurz bevor sie wach wurde, durchzuckten verzerrte Erinnerungen ihr taubes Bewusstsein. Sie sah diesen dämmerigen Kellergang und einen Schatten, aus dem plötzlich ein Lichtblitz aufflammte. Zollanger war auch da gewesen. Hinter ihr. Und Mirat? War Mirat nicht dazugekommen, bevor der Lichtblitz aufflammte? Manchmal, wenn sie für einige Minuten zu sich kam und in das dunkle Krankenhauszimmer starrte, sah sie die Bilder klarer vor sich. Zollanger hatte sie noch wegziehen wollen. Aber der Blitz war schneller gewesen. Und danach war alles schwarz. Sie war durch Kellergänge geirrt. Dann war Zollanger plötzlich da gewesen. Und der Lichtblitz. Sosehr sie sich auch bemühte, klarere Bilder konnte ihre getrübte Erinnerung nicht erzeugen.
    Dann war es auf einmal sehr hell. Sie schlug die Augen auf, und der Raum, der sonst stets im Nachtdunkel dalag, war sonnendurchflutet.
    »Elin«, vernahm sie eine wohlbekannte Stimme.
    »Papa«, flüsterte sie.
    »Kind …«
    Sie spürte seine Hand. Die Helligkeit war zu viel für sie, und so schloss sie die Augen wieder. Aber sie hielt seine Hand fest.
    Es war wohl noch jemand im Raum, denn ein leise geführtes Gespräch setzte jetzt ein.
    »Sie können ganz beruhigt sein, Herr Hilger. Sie ist über den Berg. Sie ist nur sehr, sehr schwach, das ist alles.«
    Und dann fiel sie wieder in diese wunderbare, wärmende Ruhe zurück.
    Später kamen die Schmerzen. Es fing ganz leise an. Wie ein unangenehmes, kaum wahrnehmbares Geräusch, das allmählich lauter und lauter wurde und dann einfach nicht mehr verschwand. Es war offenbar auch beschlossen worden, dass sie nun genug geschlafen hatte, denn es kamen laufend Menschen, die ihr Fragen stellten. Sie schaute sie nur ruhig an und sagte nichts.
    Nur mit ihrem Papa sprach sie manchmal. Und auf eine ihr völlig unbegreifliche Weise war sie dankbar, dass er überhaupt gekommen war. Sie fühlte sich so hilflos, als sei sie wieder das achtjährige Kind und er ihr toller Papa, von dessen wahrem Wesen sie keine Ahnung hatte.
    Allmählich erfuhr sie Einzelheiten. Eine rothaarige Frau, die öfter kam, um mit ihr zu sprechen, informierte sie. Sie sei ihre Rechtsanwältin. Denn sie stehe unter Mordverdacht.
    Die Frau bat sie, sie Vera zu nennen. Vera, wie die Wahrheit. Sie solle sich keine Sorgen machen. Sie würde die Vorwürfe, die gegen sie erhoben wurden, schon entkräften. Aber die Tatsachen seien nun mal nicht von der Hand zu weisen. Man habe ihre Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden, mit der ein Mann von einem privaten Sicherheitsdienst getötet worden sei. Was für eine Waffe?, hatte sie gefragt. Eine Steinschleuder. Der Mann habe allerdings zuvor auf sie und Hauptkommissar Zollanger geschossen und diesen getötet. Daher habe sie wohl in Notwehr gehandelt. Sobald sie bei Kräften sei und eine klare Schilderung der Vorgänge geben könnte, würde man von einer Mordanklage bestimmt absehen. Sie sollte sich zunächst nicht zu den Vorhaltungen der Polizei äußern …
    Zollanger war tot? Steinschleuder? Ja, sie hatte das Ding in der Hand gehabt, es die ganze Zeit über mit sich herumgetragen. Aber hatte sie sie

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