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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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das danach meistens so aus.« Er krempelte den Ärmel seines weißen Kittels hoch und schob auch den Pulliärmel darunter ein Stück zurück. Mitten auf Weyrichs Unterarm prangte eine rosafarbene, wulstig aufgeworfene Narbe.
    »Nur zum Vergleich.« Er wuchtete den Torso ein Stück hoch und deutete auf eine Stelle auf Höhe der Taille. Die Polizisten mussten näherkommen, um die flache, schmale Narbe überhaupt sehen zu können.
    »Kassenärzte dürfen gegenwärtig noch 29,46 Euro für eine genähte Wunde abrechnen«, sagte Weyrich. »Da wird natürlich nur geflickt. Diese subkutane Näherei hier dauert dreimal so lang. Das macht man in Deutschland nur bei Privatpatienten. Die Dame stammt also entweder aus einem Land, wo die Gesundheitsversorgung besser ist als hier. Oder sie war gut versichert und hatte genügend Geld für eine ordentliche Naht. Das ist alles, was ich damit sagen wollte.«
    Brenner atmete hörbar aus. Sina Haas trank einen Schluck Wasser. Weyrich fuhr mit seinen Ausführungen fort. Frieser machte sich schweigend Notizen.
    »Was ist mit den Schnittstellen?«, fragte Zollanger, um von der, wie er fand, unergiebigen Narbe wegzukommen. »Sie sind sicher, dass mit einer Trennscheibe gearbeitet wurde?«
    »Ja. Die Leiche wurde in gefrorenem Zustand zerlegt. Die Schnittstellen sind äußerst glatt. Wir haben minimale Anhaftungen von Siliciumcarbid im Hautgewebe gefunden. Das ist ein typischer Bestandteil von kunstharzgebundenen Trennscheiben.«
    »Die haben also Arme, Kopf und Beine einfach mit einem Trennschleifer weggeflext?«, fasste Zollanger die Information ungläubig zusammen.
    Weyrich nickte. »Würde ich auch so machen. Ist der einfachste und billigste Weg. Einen Trennschleifer bekommen Sie in jedem Baumarkt ab fünfzig Euro.«
    »Und die Gewindestange für den Ziegenkopf gleich noch dazu«, sagte Udo Brenner. »Ich schlage also vor, dass wir von allen Baumärkten der Umgebung die Kassendaten der letzten vierzehn Tage anfordern.«
    »Gute Idee«, sagte Sina ohne jegliche Überzeugung in der Stimme. »Und wir hoffen, dass unser Sägemann kein Bargeld dabeihatte.«
    »… und kein Hobbyheimwerker ist«, fügte Frieser hinzu.
    »… und sich das Ding nicht einfach ausgeliehen hat«, ergänzte Zollanger.
    Brenner schaute genervt in die Runde. »Dann eben nicht.«
    »Der Torso gibt also nicht besonders viel her«, sagte Frieser ungeduldig. »Kein Sexualmord? Keine Vergewaltigung?«
    »Nein. Nichts dergleichen. Die Frau hatte vor ihrem Tod keinen Geschlechtsverkehr.«
    »Und wir wissen nicht einmal, ob sie ermordet wurde.«
    »Nein. Zwei bis drei Tage nach ihrem Tod wurde sie eingefroren und irgendwann danach zerlegt. Das ist sicher. Sonst nicht viel.«
    »War sie komplett aufgetaut, als wir sie gefunden haben?«, wollte Sina wissen.
    »Nein. Bei der inneren Besichtigung sind wir auf Bereiche gestoßen, die noch gefroren waren.«
    Zollanger schaute überrascht auf. »Können Sie uns ein ungefähres zeitliches Szenario geben? Ich meine, vom Kühlhaus bis zum Auffinden der Leiche in Lichtenberg?«
    »Das ist schwierig. Die Außentemperatur lag gestern Nacht bei sieben Grad im Stadtgebiet und vier Grad im Umland. Der Torso wurde vermutlich in einem Behältnis transportiert. Vielleicht in einem unbeheizten Kofferraum. Oder auf dem Rücksitz eines beheizten Wagens. Das wissen wir aber alles nicht. Daher kann man unmöglich präzise Rückschlüsse auf zeitliche Abläufe vor dem Auffinden ziehen.«
    »Heißt das, dass die Frau auch schon vor drei Monaten oder drei Jahren gestorben sein kann?«
    »Ja. Theoretisch schon.«
    »Und die Gewindestange. Kann die uns nicht helfen?« Alle schauten zu Udo Brenner. »Die Stange ist doch recht tief in den Torso hineingerammt worden.«
    »Ja«, warf Weyrich ein. »Genau gesagt: 77,8 Zentimeter.«
    »Eben«, fuhr Udo fort. »Das muss erfolgt sein, als der Körper noch nicht gefroren war, sonst hätte man eine Bohrung vornehmen müssen. Sind an der Stange irgendwelche Oxidationsspuren?«
    »Nein. Aber wir haben auch keine metallurgische Prüfung durchgeführt.«
    »Und? Kann mir jemand sagen, ob gefrorene Gewindestangen rosten?«, fragte Udo.
    Niemand antwortete. Nach einer kurzen Pause sagte Weyrich: »Selbst wenn Sie das untersuchen, was ziemlich aufwendig ist, dürfte Ihnen das keine verwertbaren Zeithorizonte geben.«
    »Na herrlich«, entfuhr es Frieser. »Keine Tatzeit. Kein Tatort. Keine Opferidentität. Was können Sie uns denn zu dem Ziegenkopf sagen,

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