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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Weyrich. »Das ist einfach. Per Plastiksack zum Beispiel. Dauert zehn Minuten.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich denke, es ist Zeit für eine kurze Pause, meinen Sie nicht auch?«

[home]
11
    E r war nach der Besprechung noch einmal ins Büro zurückgekehrt. Roland Draeger und Thomas Krawczik hatten sich mit dem Sicherheitspersonal des Trieb-Werks unterhalten. Offenbar war es in den frühen Morgenstunden nicht schwierig, ohne Kontrolle in den Club hineinzukommen. Ein Gast mit Gepäck würde nicht besonders auffallen. Es kamen viele Touristen zum Chill-out. Das Trieb-Werk lag nicht weit weg vom Flughafen Tempelhof und war für manche die letzte Clubstation vor dem Abflug. Viele kamen mit Taschen oder kleinen Koffern, vor allem bei Themennächten und Ledertreffen. Man musste ja die ganzen »Utensilien« irgendwie transportieren.
    »Was denn für Utensilien?«, hatte Zollanger wissen wollen.
    »Masken«, sagte Krawczik. »Schnallen. Cremes. Erotikzeug.«
     
    Zollanger fuhr gegen sieben nach Hause. Seine Wohnung in der Bartningallee lag im achten Stock eines Hansaviertel-Neubaus. Sie hatte nichts Besonderes zu bieten. Neben einem Wohnzimmer verfügte sie über zwei Schlafzimmer, eine Cockpit-Küche und ein kleines, fensterloses Bad. Das Treppenhaus war kahl und roch entweder nach Putzmittel (montags) oder nach Essen (den Rest der Woche). Der Fahrstuhlkorb war so eng, dass man Gefahr lief, den Nasenwind von Mitreisenden zu spüren, weshalb Zollanger die acht Treppen nicht selten zu Fuß ging.
    Nach seiner letzten Trennung hatte er keine Lust gehabt, sich wochenlang Wohnungen anzuschauen. Bei dieser hatte ihn die Aussicht überzeugt. Der Balkon, den man sowohl von der Cockpit-Küche als auch vom Wohnzimmer aus betreten konnte, war zwar zu schmal, um draußen sitzen zu können. Aber wenn man hinaustrat, sah man in fast alle Himmelsrichtungen auf die Baumkronen des Tiergartens hinab. Nur in südlicher Richtung verstellte der Totempfahl der Reichsgründung ein wenig die Sicht. Aber wenn die Sonne schien, glänzte die goldene Else und blinkten Bismarcks vergoldete Beutekanonen von Sedan.
    Er warf seinen Mantel auf das Sofa, zog seine Schuhe aus, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und trank die Dose im Stehen in einem Zug halb leer. Sein Blick fiel auf den Couchtisch und einen braunen DIN -A4-Umschlag. Er setzte sich auf die Couch und trank weiter.
Der Polizeipräsident zu Berlin
stand auf dem Absender.
Arbeitsmedizinischer Dienst.
Er schob den Umschlag mit den Zehen zur Seite. Der Bericht lag darunter, genauso, wie er ihn gestern hingeworfen hatte.
Psychologisches Gutachten. Patient: Martin Zollanger, Hauptkommissar.
Er schloss die Augen. Es war der einzige Ratschlag dieser Psychotussi, den er sich zu Herzen genommen hatte:
Schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich einfach nur auf Ihren Atem. Zählen Sie langsam bis hundert. Wenn Sie es richtig machen, dann vergessen Sie das Zählen irgendwann.
So weit hatte er es zwar noch nie geschafft. Er kam immer bei vollem Bewusstsein bei hundert an. Aber die Übung gefiel ihm trotzdem.
    Er trank noch einen Schluck und begann zu lesen. Die achtseitige Stellungnahme enthielt nicht viele Überraschungen. Zu ihrer Entschuldigung musste man sagen, dass diese Psychologen ja auch nicht viel besser dran waren als Leute wie er. Sie mussten jede Menge widersprüchlicher Fakten und Informationslücken zu einer überzeugenden Geschichte zusammenkleben. Und dann war die große Frage zu entscheiden: War Hauptkommissar Martin Zollanger nach seinem Ausraster noch für den Polizeidienst geeignet? Konnte irgendjemand erklären, warum ein sonst besonnener und stets überlegt handelnder Kollege plötzlich bei einem Einsatz die Nerven verlor? Ja, was sollte Frau Doktor da schon anderes schreiben, als dass ehemalige Ost-Bullen ein Autoritätsproblem haben?
    Herr Zollanger wirkt kontrolliert und besonnen. Er behauptet einzusehen, dass sein Verhalten inakzeptabel war, aber es erscheint zweifelhaft, dass eine wirkliche Einsicht in die Falschheit seiner Handlungsweise gegeben ist. Herr Zollanger steht der Therapiesituation zutiefst misstrauisch gegenüber.
    Das war wohl leicht untertrieben.
    Die subjektiv wahrgenommene Kapitulation der Polizei vor dem Verbrechen macht ehemaligen Volkspolizisten erheblich mehr zu schaffen als ihren Kollegen aus dem Westen.
    Er versuchte, die Sätze vor sich auf dem Papier irgendwie mit der Situation in Verbindung zu bringen, auf die sie sich bezogen: mit

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