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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Entscheidungen trafen andere. Leute, die sehr gut geschützt waren. Jedenfalls besser als er!
    Er fuhr rechts heran und schaltete den Motor aus. Es regnete leicht, und nach wenigen Augenblicken verschwamm die Straße hinter Schlieren auf seiner Windschutzscheibe. Sein Handy klingelte erneut. Schon wieder Ulla. Er drückte den Anruf weg, öffnete sein Adressbuch und scrollte durch die Einträge. Als er den gesuchten Namen gefunden hatte, markierte er ihn und drückte auf die Ruftaste.
    »Hier Frieser.«
    »Hallo, Jochen. Hier ist Hajo.«
    »Hajo, na so eine Überraschung. Dass du dich einmal meldest. Wie geht es dir? Was verschafft mir die Ehre?«
    »Bist du gerade sehr beschäftigt? Ich bräuchte deinen Rat.«
    »Ich höre.«
    »Nein. Nicht am Telefon. Können wir uns kurz sehen … in, sagen wir, fünfzehn Minuten?«
    Zieten spürte, dass Frieser zögerte. Aber nur kurz.
    »Ich bin noch im Büro«, sagte Frieser. »Wo bist du?«
    »Nicht weit weg. Ich komme in die Turmstraße und hole dich ab.«
    »Okay. Komm lieber zum Seiteneingang Wilsnacker. Da ist immer Platz. Bis gleich.«
    Zieten brauchte knapp zwanzig Minuten, und als er an der verabredeten Stelle eintraf, stand Jochen Frieser schon neben der Drehtür. Zieten fuhr an die Bordsteinkante und öffnete die Beifahrertür.
    »Komm. Steig ein.«
    Jochen Frieser nahm Platz und schloss die Tür. »Schön, dich zu sehen«, sagte er. »Wohin gehen wir? Sollen wir was essen?«
    »Nein«, sagte Zieten. »Tut mir leid.« Er fuhr ein paar Meter weiter, entdeckte eine Parklücke, lenkte den Wagen hinein und schaltete den Motor aus. Frieser sah ihn verwundert an. Zieten kam ohne Umschweife zur Sache.
    »Jochen, ich habe sehr wenig Zeit und ein Riesenproblem.«
    Frieser musterte Zieten kurz. Dann sagte er nur: »Wofür hat man Freunde, nicht wahr? Also. Was ist? Schieß los.«
    »Angenommen, ich ginge zur Polizei und meldete meine Tochter als vermisst? Was würde da passieren?«
    Frieser zuckte zusammen. »Machst du Witze, Hajo? Ist Inga etwas passiert?«
    »Ich weiß es noch nicht, Jochen. Aber das war nicht meine Frage. Was passiert, wenn ich zur Polizei gehe?«
    »Wenn so jemand wie du mit so einem Verdacht zur Polizei geht, dann springt natürlich sofort der ganze Apparat an. Das heißt, vorausgesetzt, es gibt begründete Verdachtsmomente.«
    »Was heißt das – der Apparat springt an? Was passiert im Einzelnen?«
    »Normalerweise passiert bei Vermisstenmeldungen von Erwachsenen erst einmal gar nichts. Die Betroffenen tauchen in den meisten Fällen nach ein paar Tagen von selbst wieder auf. Der Verdacht, dass eine Straftat vorliegt, muss sich erst einmal erhärten. Bei Personen des öffentlichen Lebens ist das anders. Das Landeskriminalamt würde recht schnell sicher sein wollen, dass kein begründeter Verdacht vorliegt. Aber warum um Gottes willen fragst du mich das? Was ist denn bloß los?«
    Zieten war blass geworden. Landeskriminalamt. Das Wort löste nun doch massive Ängste in ihm aus, die er bisher verdrängt hatte. Wie konnte er überhaupt hier sitzen? Warum hatte er nicht längst Alarm geschlagen, selbst auf die Gefahr hin, dass seine heiklen Geschäfte offenbar wurden?
    »Es ist in aller Kürze so, Jochen: Ich arbeite zurzeit an einer ziemlich umstrittenen Sache. Es geht um viel Geld. Sehr viel Geld. Die Sache ist auch politisch extrem heikel, und je nachdem, wie geschickt oder tölpelhaft das Ganze gehandhabt wird, kann es sich auch auf die nächsten Wahlen auswirken. Ich habe heute Nachmittag einigen Beteiligten einen Lösungsvorschlag gemacht. Das Dossier ist streng vertraulich. Wir nennen es intern nur Phoenix-Vorlage. Während der Sitzung, wie gesagt, es ist gerade mal ein paar Stunden her, da rief mich plötzlich Ulla an. Sie war besorgt, weil Inga eine Verabredung mit ihr hatte platzen lassen und nicht erreichbar war. Also wollte ich nach der Sitzung zu Ingas Wohnung. Als ich losfuhr, steckte dieser Zettel an meinem Wagen. Ich dachte mir nichts dabei, traf Ulla in Ingas Wohnung, aber von Inga keine Spur. Ihr Handy lag in der Küche. Ihr Auto stand unverschlossen in der Garage. Im Kofferraum lag das hier. Seit gestern Abend hat niemand etwas von ihr gehört. Also, was soll ich tun?«
    Jochen Frieser betrachtete die beiden Botschaften. Zieten wartete, aber Frieser ließ sich Zeit mit einer Antwort.
    »Es gibt keine List gegen den Zufall«, sagte er schließlich.
    »Wie bitte?«
    »Die Inschrift. Nullus Dolus Contra Casum.«
    Zieten erwiderte nichts.

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