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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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hinausgingen, da war es doch augenfällig, dass der Typ ihn beobachtete. Nicht lange. Zwei oder drei Minuten. Dann war der Typ gegangen. Gesagt hatte er kein Wort. Aber er war es gewesen. Kein Zweifel.
    Und? Ein Bulle im Puff. Was war dabei? Wenn er sich’s leisten konnte. Das
Allegra
war nicht gerade billig. Das war ja das Schöne daran. Nur erstklassige Mädchen und kein Prollpublikum, sondern Geschäftsleute, Kongressbesucher und dergleichen. Was verdiente denn so ein Bulle? Genug, um ein paar hundert Euro für einen garnierten Saunagang hinzublättern?
    Zuvor war ihm der Mann dort noch nie begegnet. Da war er sich sicher. Und letzten Donnerstag war er auch nicht da gewesen, was aber nichts heißen musste. Also Zufall. Oder nicht?
    Sedlazek lehnte sich zurück, starrte aus dem Fenster und blickte missmutig auf die Häuserfassaden im Nieselregen. In was für einer Scheiße steckten sie da bloß drin. Wenn er die gegenwärtige Situation überdachte, gab es eigentlich nur eine positive Sache in einem Meer von Fragen und Ungereimtheiten: Übermorgen war wieder Donnerstag.

[home]
47
    S ie war ein ziemliches Biest, dachte er. Unberechenbar, so wie sie eben das Handy gegen die Wand geworfen hatte. Sie war zornig. Aber er spürte auch, dass sie Angst hatte. Und er war sich nicht darüber im Klaren, was Angst in ihr auslösen würde. Panik? Schätzte sie ihre Situation überhaupt halbwegs realistisch ein? Er versuchte, in ihren abweisenden grünen Augen zu lesen. Was für ein feines, schönes Gesicht, dachte er noch. Und so unglücklich und ernst.
    »Hören Sie mir gut zu, Elin. Ihr Bruder hat eine riesengroße Dummheit gemacht, die er mit seinem Leben bezahlt hat. Sie sind drauf und dran, diese Dummheit zu wiederholen. Nein, sagen Sie jetzt nichts. Wir haben verdammt wenig Zeit. Wir haben vorhin alle beide sehr viel Glück gehabt. Der Mann, den Sie in meiner Wohnung gesehen haben, wird nicht von uns ablassen. Oder sie schicken einen anderen …«
    »Wer ist
sie?
«
    »Die ehemaligen Chefs Ihres Bruders, Elin. Die mögen es überhaupt nicht, wenn ihnen jemand zu nahe kommt. Ihre Schnüffelei bringt Sie in Lebensgefahr. Verstehen Sie das nicht? Vor diesen Leuten kann Sie niemand schützen. Niemand. Sie müssen Berlin sofort verlassen.«
    Elin blickte finster vor sich hin.
    »Was ist mit meinem Bruder passiert? Bevor ich das nicht weiß, bringen mich keine zehn Pferde von hier weg.«
    Zollanger drehte ungehalten die Augen zum Himmel.
    »Ich habe es Ihnen doch schon einmal erklärt«, sagte er. »Kein Mensch weiß, was wirklich passiert ist. Fest steht, dass Eric geheime Firmendaten gestohlen und unterschiedlichen Leuten in der Stadt angeboten hat.«
    »Was für Daten?«
    »Informationen über Geldströme zwischen einigen großen Banken. Es ist eine sehr komplexe Angelegenheit, Elin. Und eine sehr gefährliche. Weder Ihr Bruder noch Sie oder ich haben da etwas verloren. Verstehen Sie?«
    Elin schnaubte verächtlich. »Und das sagt ausgerechnet ein Polizist.«
    Zollanger setzte sich auf eine der Treppenstufen und schaute zu ihr auf.
    »Was wollen Sie, Elin?«
    »Ich will wissen, wer meinen Bruder auf dem Gewissen hat.«
    »Gut«, sagte er. Er erhob sich und öffnete das Fenster. Dann deutete er nach draußen und sagte: »Das da draußen, Elin. Alles, was dazugehört. Diese ganze beschissene Stadt.«
    »Was soll das heißen?«
    Zollanger schaute in den Hinterhof hinab. Er hatte die Einfahrt gut im Blick. Überrascht werden konnten sie hier so leicht nicht.
    »Setzen Sie sich hin, Elin.«
    Sie blieb gegen die Wand gelehnt stehen und schaute ihn feindselig an.
    »Hat Ihr Bruder Ihnen jemals erzählt, für wen er gearbeitet hat?«, fragte er nach einer Pause.
    »Nein.«
    »Aber er hat dort ganz gut verdient, oder?«
    Elin zuckte mit den Schultern.
    »Eric hatte immer Geld. Aber über so etwas haben wir nie gesprochen. Er wusste, dass ich mit Geld nichts zu tun haben will und dass mir seine oberflächlichen Ansichten zuwider waren. Aber er war mein Bruder.«
    Zollanger schaute erstaunt auf.
    »Was machen Sie eigentlich, Elin?«, fragte er. »Für wen arbeiten Sie?«
    »Für niemanden«, erwiderte sie genervt. Was sollte diese Fragerei.
    Zollanger wartete.
    »Ich kümmere mich um Straßenkinder«, erzählte sie schließlich. »Ich war selbst mal ein paar Jahre auf der Straße. So ist das eben gekommen.«
    »War Eric auch mal auf der Straße?«
    Elin lachte kurz. »Nein. Er kam mehr nach meinem Vater. Eric war wie alle, ein ganz

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