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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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ich viel zu groß. Meine Puppen hab ich alle der Ina geschenkt, bis auf die Gundel.«
    Da musste Max erst recht grinsen.
    ***
    Inge überlegte krampfhaft, was sie tun könnte, um ihren Vater auf andere Gedanken zu bringen. Wenn die Eltern sie über einen Kummer hinwegtrösten wollten, wurde zur Ablenkung immer gespielt. Sie taten dann freiwillig, worum man sonst ewig betteln musste. Wieso sollte das nicht auch andersherum funktionieren? Zumal jetzt, wo der Vater nichts anderes zu tun hatte. Inge holte die rote Schachtel mit dem »Menschärgere-dich-nicht«-Spiel aus ihrem Schulranzen.
    »Papa, können wir ’ne Runde spielen? Mir ist so langweilig«, fragte sie, als der Vater wieder einmal allein an der Reling stand und aufs Meer starrte. Es dauerte eine Weile, bis er in der Gegenwart anlangte und seine Tochter überhaupt bemerkte. Erstaunt sah er sie an.
    »Kannst du nicht mit deinem Freund spielen, mit dem du ständig zusammensteckst?«
    »Ich will aber lieber mit dir spielen, Papa.«
    Im Bitten und Benzen war Inge gut. Als Einzelkind beherrschte sie die Kunst, ihre Eltern zu manipulieren. Und natürlich konnte Herr Finkelstein seiner einzigen Inge schwer etwas abschlagen. Nur dass es diesmal nicht um sie ging, sondern um ihn, aber das wusste er nicht. Nach einigen weiteren Anläufen, willigte er schließlich ein.
    »Da hinten können wir uns hinsetzen«, sagte Inge und zerrte den Vater unter eines der Sonnensegel, wo sie zwei Stühle an einen Tisch gerückt hatte. Bald darauf beugten sich ein hagerer Mann mit Hut und dunklem Anzug und ein Mädchen mit blonden Zöpfen und luftigem Sommerkleid über das Spielbrett.
    »Welche Farbe willst du?« Ausnahmsweise überließ Inge die Farbwahl ihrem Vater.
    »Auf keinen Fall die Schwarzen«, kam es, ohne zu überlegen.
    »Bleibt noch rot, grün oder gelb«, stellte Inge mit ungewohnter Großzügigkeit fest.
    »Na gut, dann grün. Grün ist die Hoffnung.«
    »Ich nehme rot.« Das war zwar strategisch ungünstig, weil die grünen Männchen des Vaters ihr dann unmittelbar auf den Fersen waren, aber Inge vertraute fest auf die positive Wirkung der Farbe Rot. Das war nicht nur die Glücksfarbe der Chinesen, wie Ina ihr erzählt hatte, sondern immer schon ihre Lieblingsfarbe gewesen.
    Nun wurde ausgewürfelt, wer anfangen durfte. Herr Finkelstein hatte die höhere Zahl und lief los. Inge schickte ebenfalls einen ihrer Mannen ins Rennen, und das Spiel nahm seinen Lauf. Eigentlich war »Mensch-ärgere-dich-nicht« zu zweit langweilig, aber darum ging es jetzt nicht. Als ein Roter, der eben ausgerückt war, in die Schusslinie eines Grünen geriet, wurde er prompt rausgeworfen und ins Depot zurückgeschickt. Inge verzog keine Miene. Bei den Finkelsteins war immer hart und fair gespielt worden.
    Trotzdem sagte sie nach einer Weile: »Irgendwie ist es schon gemein, gleich zu Anfang rausgeschmissen zu werden.«
    »Tja, manchmal geschieht etwas im Leben, mit dem man nicht gerechnet hat und das man als ganz und gar ungerecht empfindet.«
    »Aber dass man sich nicht mal darüber ärgern soll, finde ich ’n bisschen viel verlangt«, meinte Inge.
    »Ärgern kann man sich schon, es ändert bloß nichts.«
    »Aber vielleicht ist einem wohler, wenn man mal ordentlich schimpft.«
    »Es gibt Dinge, über die kommt man auch durch Schimpfen nicht hinweg.«
    »Meinst du, man kann lernen, sich Ungerechtigkeiten nicht so zu Herzen zu nehmen? Zum Beispiel durch ein Spiel wie ›Mensch-ärgere-dich-nicht‹?«
    »Das ist schwer. Aber man kann immerhin versuchen, sich nicht unterkriegen zu lassen.«
    »Weil man könnte ja einen Sechser kriegen, und dann darf man gleich noch mal würfeln.«
    »Falls man Glück hat.«
    »Und was ist mit dem anderen? Darf der sich freuen, wenn er jemanden rausschmeißt?«
    »Schadenfreude ist nicht schön. Vor allem nicht, wenn sie in Grausamkeit ausartet und Menschen sich am Leid hilfloser Opfer weiden.« Inge zog die Luft ein, jetzt hatte sie den Vater da, wo sie ihn haben wollte. »Aber hier im Spiel ist das was anderes«, fuhr er nach kurzem Innehalten fort. »Da haben wir beide gleiche Chancen. Du kannst es mir jederzeit heimzahlen, indem du die richtige Zahl würfelst und mich rausschmeißt. Neues Spiel, neues Glück.«
    Inge konzentrierte sich ganz aufs Würfeln, und tatsächlich gelang es ihr, einen Grünen aus dem Spiel zu kegeln. Ha! Schadenfreude war halt doch ein schönes Gefühl. Allmählich leerte sich das Brett, und die meisten Figuren standen in

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