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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Berichte von Rüdiger und seiner Mutteranhören, die natürlich keine Gelegenheit ausließen, sich die Reise unterhaltsam zu gestalten. Colombo: eine Stadtrundfahrt in der Rikscha; Singapur: ein Ausflug in den berühmten botanischen Garten, Hongkong: High Tea im Hotel Peninsula.
    »Das ist eben der feine Unterschied zwischen Auslandsdeutschen und jüdischen Emigranten«, kommentierte der Vater bissig, sobald sie wieder in der Kabine waren. Die Konversation mit Frau Schwab war jedes Mal eine Tortour für ihn, die er auf ein Minimum zu beschränken wusste.
    In Max hatte Inge einen Verbündeten, der ihr Schicksal teilte. Auch er durfte nicht vom Schiff. Den beiden blieb nur der sehnsüchtige Blick auf die großartigen Kulissen der Hafenstädte mit den klangvollen Namen. Aber der findige Max hatte immerhin eine Idee entwickelt, wie sie die Liegezeiten für ein bisschen Tauschhandel nutzen konnten. Er hatte herausgefunden, dass die runden Gepäckaufkleber mit dem Emblem des Lloyd Triestino bei den Einheimischen sehr beliebt waren. Inges Aufgabe war es, von Paolo immer ausreichend Nachschub an Aufklebern zu erbetteln. Wenn im Hafen dann die Boote der Obst- und Andenkenhändler den Rumpf der »Conte Biancamano« umschwärmten, ließen sie ihre Tauschware statt Münzen in den Körben an den langen Schnüren hinunter. Nach heftigem Handeln, Feilschen und Gestikulieren lagen dann mit etwas Glück beim Hochziehen frische Ananas, Mangos oder ein paar Litschis im Korb. Stolz brachten sie ihre Beute zu Paolo, der ihnen zeigte, wie man diese fremdartigen Früchte aß.

Happy New Year?
    Auf See, 1939   – Jahr des Tigers
    虎
    »Happy New Year 1939«   – stand auf einem Banner über dem Eingang zum Speisesaal der »Conte Biancamano«. Dort war in der Silvesternacht der Champagner geflossen, die Bordkapelle hatte gespielt, und ein weiß befrackter Kapitän hatte die Damen   – darunter auch Frau Schwab   – zum Wiener Walzer aufgefordert. Sie war noch immer ganz erfüllt davon.
    »So ein fescher Mann. Und wie der tanzen kann!«, verkündete sie beim Frühstück. »Sein Deutsch ist übrigens ausgezeichnet. Wir haben uns über die Allianz unseres Führers mit dem Duce unterhalten. Auf die Italiener ist eben Verlass, ganz gleich, ob in der Politik oder auf dem Tanzparkett.«
    Herr Finkelstein verschluckte sich fast an seinem Kaffee.
    Von jenen Passagieren, die sich das Reiseziel Schanghai nicht freiwillig ausgesucht hatten, war der Jahreswechsel eher verhalten begrüßt worden. Sie hatten ihre Zweifel, ob es ein glückliches Jahr für sie werden würde. Zu ungewiss war die Zukunft, die sie erwartete. Und diese Zukunft lag jetzt nur noch wenige Seemeilen entfernt.
    Auch die Finkelsteins waren am Silvesterabend inder Kabine geblieben. Inge hatte dazu ohnehin ihre eigenen Ansichten: Sie würden jetzt in China leben, dort galt der Mondkalender, und das neue Jahr würde erst im Februar beginnen, also hatte sie ihr Neujahr noch vor sich. Nach dem chinesischen Horoskop mit den zwölf Tieren würde dann der Hase den Tiger ablösen. Tigerjahre, so hatte Ina ihr erklärt, waren Zeiten des Umbruchs und der dramatischen Veränderung. Davon hatte Inge jetzt erst mal genug. Der Tiger hatte ihr und den Eltern die Krallen gezeigt. Da kam ihr der friedliche Hase gerade recht. Sie selbst war im Jahr des Drachen geboren, dem beliebtesten Zeichen des Tierkreises, etwas, worauf man stolz sein konnte.
    »Wer weiß, was noch kommt?« Je näher sie ihrem Bestimmungsort kamen, desto öfter wiederholte Inges Mutter ihre bange Frage, auf die sie auch beim Bleigießen keine Antwort bekommen hätte. Also blieb für den Silvesterabend nur das »Mensch-ärgeredich-nicht«-Spiel mit seinen immer gleichen Herausforderungen: würfeln, ziehen, andere rausschmeißen oder rausgeschmissen werden, sich ärgern oder nicht ärgern.
    »Aber wenigstens darf ich heute bis Mitternacht aufbleiben«, bettelte Inge.
    »Wozu denn? Auf dem Schiff darf sowieso nicht geknallt werden«, hielt ihr der Vater entgegen. »Wie soll man auch wissen, wann man die Feuerwerkskörper zünden muss? In China hat das Jahr 1939 wegen der Zeitverschiebung längst begonnen.« Dann erklärte er Inge die komplizierte Sache mit der Datumsgrenze,wobei er einen Apfel und eine Orange aus der Obstschale zu Hilfe nahm.
    Unterdessen pflügte der »Graf Weiße Hand« mit seiner eigenen Zeit an Bord durchs Chinesische Meer. Aber nicht mehr lange. Bald würden sie an den Ufern jener anderen Zeit andocken,

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