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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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ordentlicher Reihe im jeweiligenDepot. Inge lag vorn und hatte nur noch eines ihrer Männchen nach Hause zu bringen, dazu musste sie allerdings am feindlichen Lager vorbei. Ihr Glück konnte sich jederzeit wenden. Normalerweise wäre sie jetzt furchtbar aufgeregt und durch nichts von ihrem Endspurt abzulenken gewesen. Aber das hier war kein normales Spiel. Vater wie Tochter war klar, dass sie nicht nur über den Spielverlauf gesprochen hatten. Plötzlich konnte Inge nicht länger an sich halten, sie sah vom Spielbrett auf, dem Vater direkt in die Augen: »Papa, ich find das alles so ungerecht, so gemein! Dass die alles kaputt gemacht und dich mitgenommen haben! Dass wir wegmussten! Und dass ich jetzt keine Freundinnen mehr hab und nicht mehr in die Schule kann! Und du bist auch nicht mehr wie früher.«
    Eigentlich hatte sie ja den Vater trösten wollen, doch ganz unbemerkt hatte sich der eigene Kummer vorgedrängt und so breitgemacht, dass für nichts anderes mehr Platz war.
    Als sie sah, wie der Vater unter ihrem Redeschwall noch tiefer in den Korbstuhl rutschte, bedauerte sie ihren Ausbruch sofort. Schweigend und wie geprügelt blickte er aufs Meer hinaus. Inge musste lange auf eine Antwort warten.
    »Ich bin dagegen genauso machtlos wie du. Gegen das, was mit uns passiert ist, und gegen die Erinnerung daran.«
    Das war es, dachte Inge, dieses machtlose Ausgeliefertsein. Zum ersten Mal sah sie ihren Vater hilflos und resigniert.
    »Warum redest du nicht wenigstens darüber.«
    »Weil ich das alles hinter mir lassen will. Genau wie das Land, in dem es passiert ist. Schlimm genug, dass mir die Erinnerungen daran unauslöschlich im Kopf und in den Knochen stecken. Aber wenn ich darüber spreche, holen sie mich ein. Dann verfolgen sie mich bis auf dieses Schiff, bis in unsere Kabine. Deshalb will ich möglichst viel Wasser zwischen mich und diese Erlebnisse bringen. Verstehst du das, Inge?«
    »Schaust du deshalb immer aufs Meer? Ob es schon mehr geworden ist?«
    »Ja, vielleicht.« Die Mundwinkel versuchten ein Lächeln, und sein Gesicht sah plötzlich aus, als hätte es einen Sprung. »Und jetzt sieh zu, dass du den letzten Roten ins Depot bringst.«
    ***
    Seit sie im Indischen Ozean unterwegs waren, breitete sich eine gewisse Trägheit auf dem Schiff aus. Die Tage dehnten sich, die blaue Fläche, die das Fähnchen noch auf der Landkarte zurückzulegen hatte, wurde kleiner, und die Temperaturen stiegen. Zu sehen gab es rein gar nichts, die Erwachsenen lagen in den Deckchairs, und selbst den Kindern war es zu heiß zum Toben. Richtig angenehm war es eigentlich nur im Pool, aber da durfte Max nicht hin. Selbst Paolo konnte daran nichts ändern. Es war der Ort, wo Inge ihre Brandenburger Freundinnen am meisten vermisste: die resolute Lotte, die mittlerweile begeisterte Scharführerin bei den Jungmädel der Hitlerjugend war, und Ina aus China, die innerhalb eines Jahres von der Außenseiterin zuihrer besten Freundin geworden war. Das zierliche Mädchen mit den Mandelaugen hatte einfach nicht begreifen können, warum der Makel des Andersseins plötzlich auf die blonde, blauäugige Inge übergegangen war, die von einem Tag auf den anderen nicht mehr ins Schwimmbad und später auch nicht mehr in die Schule gedurft hatte. Ihre Rollen hatten sich verkehrt.
    Erst jetzt, wo sie selbst einer ungewissen Zukunft entgegenfuhr, begriff Inge, wie es ihrer chinesischen Freundin zumute gewesen sein musste, als sie in Gegenrichtung unterwegs gewesen war. Dabei hatte Ina nicht mal ihre Eltern dabeigehabt, bloß ihre Cousine Martha, die Lehrerin werden wollte und in ihrer Besserwisserei manchmal ganz schön lästig war. Inas Vater hatte die Tochter vor den Angriffen der Japaner auf Schanghai in Sicherheit bringen wollen. Und nun war es ausgerechnet diese Stadt, die deutschen Juden ein Obdach bot, während so viele andere Länder die Grenzen vor ihnen verschlossen.
    Inges stille Hoffnung auf Landgänge, die ja zumindest für sie und ihre Mutter möglich gewesen wären, hatten sich zerschlagen. Die Eltern hatten ihr eingeschärft, dass sie auf dem Schiff, wo Kost und Logis durch die Schiffspassagen gedeckt war, zwar Luxuspassagiere waren, ihre Barschaft aber aus lächerlichen 30   Reichsmark bestand, die sie nicht für exotische Ausflüge verschwenden konnten. »Wer weiß, was noch kommt« war der Spruch, mit dem Frau Finkelstein Inges Unternehmungslust regelmäßig ausbremste. Zu allem Übel mussten sie sich bei Tisch die blumigen

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