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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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man das Gefühl, dass es wärmer und heller wurde, sobald sie den Raum betrat. Sie war es auch, die nicht lange gezögert hatte und für den neuen Mitarbeiter ihres Mannes samt Familie zwei Räume im Rückgebäude leer räumte, die früher als Lager gedient hatten.
    Der Familienname ihrer neuen Mieter war für Frau Fiedler allerdings ein echter Zungenbrecher;
Fang-ke-se-dan
hieß das bei ihr und klang immer ein wenig wie »Frankenstein«. Auch die beiden Silben von »In-ge« wollten ihr nicht so recht über die Lippen.
    »Was du brauchst, ist ein chinesischer Name«, ließ sie Inge durch Sanmao ausrichten; sie konnte zwar ein bisschen Deutsch, aber mit ihrem Mann sprach sie meist Englisch und mit dem Sohn Schanghai-Chinesisch.
    »Das mit den Namen ist gar nicht so einfach«, erklärte ihr Sanmao. »Dazu nimmt man die erste Silbe des Nachnamens, der steht bei den Chinesen vorn, und dann eine oder zwei Silben des Vornamens. Natürlich soll der Name was Positives ausdrücken und zu seinem Träger passen, deshalb muss man die Schriftzeichen sorgfältig auswählen. Meine Mutter ist da gut, ihr kannst du deine chinesische Taufe ruhig anvertrauen.«
    Inge war denn auch ganz feierlich zumute, als sie mit Sanmao das Wohnzimmer der Fiedlers zum zweiten Mal betrat.
    »Láilái.«
Xiaochun klopfte einladend neben sich auf das Sofa. »Komm auf meine west-östliche Divan. Sagt nicht so eure große Dichter?« Inge wusste zwar nicht, wovon die Rede war, setzte sich aber erwartungsvoll neben ihre chinesische Taufpatin. Vor ihnen auf dem Tisch lag ein Lexikon. Es war dick wie ein Ziegelstein, zeigte starke Gebrauchsspuren und enthielt ausschließlich chinesische Schriftzeichen.
    »So viele?«, stieß Inge ungläubig hervor, als Xiaochun das Buch aufschlug; dort wimmelte es nur so von diesen winzigen, rätselhaften Gebilden. »Kann man die jemals alle lernen?« Sie sah Sanmao fragend an.
    »Das ist das ›Meer der Wörter‹«, erklärte er. »Die Schriftzeichen, die da drinstehen, kennt auch ein Chinese nicht alle. Für den täglichen Gebrauch reichen etwa drei- bis viertausend Zeichen, die selteneren muss man immer wieder nachschauen. Aber sie im Lexikon zu finden ist nicht so einfach, das musst du auch erst lernen. Dazu zählt man die Striche und muss die Reihenfolge kennen, in der sie geschrieben werden.«
    Na danke. Inge fand die vier Töne schon kompliziert genug und brachte sie regelmäßig durcheinander. Auf diese Weise hatte sie beim Einkaufen schon die hatte seltsamsten sie statt dem Missverständnisse gewünschten Reisproduziert,
mĭ.
, Honig. Einmal,

, bekommen. Dass die Aussprache aus den Zeichen nicht ersichtlich war wie bei einer Alphabetschrift, machte die Sache nicht besser.
    Sanmaos Mutter hatte die Silben, für die sie eine chinesische Entsprechung suchte, auf ein Blatt geschrieben:
Fang
für Finkelstein und die beiden Silben
ying
und
ge
für Inge. Aber da es mehrere Schriftzeichen gab, die so ausgesprochen wurden, überlegte sie lange, welches wohl am besten zur Trägerin des Namens passte. Dabei blickte sie Inge immer wieder prüfend von der Seite an. In rascher Strichfolge notierte sie Zeichen aufs Papier, schlug nach, verwarf, kaute am Bleistift und suchte erneut. Inge sah ihr gebannt zu. So kompliziert hätte sie sich ihre chinesische Namensfindung nicht vorgestellt.
    Endlich räusperte sich Xiaochun und unterbreitete ihr Ergebnis. »Also,
fāng
steht für ›aufrichtig‹, ›anständig‹,›prinzipientreu‹. Das ist nicht schlecht für eine Familienname. Was du denkst?«
    Einen Moment lang sah Inge Gundels geöffneten Bauch mit seinem kostbaren Inhalt vor sich; dann nickte sie mit eine Nachdruck.
    »
Yīng
ist herausragende Person, ein Held, und

bedeutet ›Norm‹, ›Muster‹.«
    »Damit bist du also eine ganz und gar musterhafte und herausragende Person mit Prinzipien«, fasste Sanmao das Ergebnis zusammen und konnte sich angesichts der verdutzten Namensträgerin ein Kichern nicht verkneifen. »Bist du damit einverstanden?«
    Inge blickte ratlos zwischen Mutter und Sohn hin und her. Das entsprach zwar nicht so ganz der Vorstellung, die sie von sich selbst hatte, aber sie würde sich bemühen, ihrem neuen Namen gerecht zu werden. Außerdem konnte sie ja schlecht widersprechen, nachdem Frühlingserwachen sich solche Mühe gegeben hatte.
    »Ja, schon«, sagte sie mit fester Stimme und nahm den Zettel entgegen, den Xiaochun ihr mit beiden Händen überreichte. » 方 英 格 , Fang Ying’ge, dein

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