Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
Vom Netzwerk:
Erfordernisse der Zeit haben Uns veranlasst, den Weg des Friedens zu beschreiten, unter Erduldung all dessen, was überhaupt erduldet werden kann.«
    »Und was haben wir erduldet? Und die Chinesen erst, und die Menschen in ganz Südostasien?« Inges Gerechtigkeitssinn rebellierte gegen eine so realitätsferne Verteilung des Leidensdrucks. Sie hatte dazu ihre eigene Meinung: »Und was heißt das, ›die Erfordernisse der Zeit‹? Die haben schließlich angefangen, genau wie Hitlerdeutschland in Europa.«
    »Das hat wohl eher was mit Ehre und der Wahrung von Gesicht zu tun«, meinte der Vater. »Davon verstehen wir Langnasen nichts.«
    Und für das japanische Militär war es unter diesenUmständen tatsächlich keine leichte Aufgabe, ihr »Gesicht zu wahren«. Im Auftrag der Alliierten hatte es für Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen, bis die ersten amerikanischen Truppenkontingente dort landen würden und Tschiang Kai-schek mit seinen Truppen aus dem Landesinneren eingetroffen wäre. Mit versteinerten Mienen bewachten die Soldaten auch weiterhin strategische Punkte und wichtige Gebäude. Vor allem die Wachtposten auf der Garden Bridge mussten sich manches gefallen lassen. Auf dem Weg in die Bubbling Well Road hatte Inge mit eigenen Augen gesehen, wie sie angespuckt und beschimpft wurden. Insgeheim hoffte sie, dass der Volkszorn nicht auch ihren Retter traf; der hatte das nicht verdient.
     
    Endlich konnte man sich wieder frei bewegen. Weder Ausgangssperre noch Fliegeralarm hielten Inge zurück, keine Leberwurst diktierte ihre Route durch die Stadt. Zum Glück waren immer noch Ferien, weshalb sie jetzt häufiger in der Bubbling Well Road anzutreffen war als zu Hause in Hongkou.
    Leider hatte Sanmao kaum noch Zeit für Kungfu-Stunden, weil er in der Backstube des Vaters so eingespannt war. Oder kam es ihm mittlerweile unpassend vor, mit einer jungen Frau in einem verwilderten Park Kampfkunst zu üben? Seit dieser dämlichen Ohnmacht im unpassendsten Moment hatten sie sich nicht mehr allein getroffen. Eine seltsame Befangenheit lag über ihren Begegnungen.
    Dies galt jedoch nicht für Frühlingserwachen, undInge nahm die Schreibübungen bei ihr begeistert wieder auf. Sie waren zugleich eine gute Gelegenheit, ihre
āyí
über Dinge auszuhorchen, die ihr nach wie vor rätselhaft blieben an China und den Chinesen. Man konnte sie einfach alles fragen, denn sie war mit beiden Kulturen vertraut, schließlich hatte sie einen Halbdrachen großgezogen.
    Vorsichtig steuerte Inge das Thema an, das sie am meisten beschäftigte. Doch auch sie hatte inzwischen gelernt, dem chinesischen Sprichwort folgend auf den Maulbeerbaum zu deuten und die Akazie zu meinen.
    »Sag mal,
āyí
, wie war denn das, als ihr euch damals kennengelernt habt, du und Curt
shūshu?
« Herr Fiedler trug jetzt ebenfalls den Titel eines Onkels ehrenhalber. »Ich glaube, bei meiner Mutter war es die Sahnetorte.«
    »Sahnetorte für Chinesen nicht Heiratsgrund   – zu süß. Aber ich sehr überrascht, als er mich fragt: ›Magst du mich?‹ Einfach so, ganz direkt. Ist, als ob er legt seine große, deutsche Herz einfach so auf Tisch. Chinese würde nicht so machen.«
    »Und wie würde ein Chinese das machen?«
    »›Nein‹ sagen ist sehr schrecklich, für beide Seite. Also du musst zuerst ausschalten Möglichkeit, dass andere sagen ›Nein‹. Und du sollst nicht fragen Mädchen, du sollst fragen Eltern. Am besten lassen machen Heiratsvermittler oder Verwandte.«
    »Aber man muss doch nicht schon gleich an Heiraten denken.«
    »Heute nicht, damals schon. Junge Leute heute haben einfacher«, lachte Frühlingserwachen, »oderschwieriger.« Damit schien das Thema erst mal erledigt.
    Inge war zwar nicht der Meinung, dass das alles so einfach war, aber immerhin wurde ihr manches klarer. Man musste also nicht nur selbst seiner Sache ganz sicher sein, sondern auch noch Gewissheit über die Antwort des anderen haben, bevor man fragte. Aber wie sollte das gehen, wenn man nicht fragte? Das mit dem »Gesicht« war schon eine verzwickte Sache, ganz gleich, ob in der Politik oder im Privatleben.
    ***
    Die khakifarbenen Uniformen der Japaner verschwanden allmählich aus dem Stadtbild und wurden ersetzt durch die blendend weißen Outfits der Marines, die von den Schanghaiern wie alte Freunde begrüßt wurden. Ihre erste Tat war die Öffnung und Evakuierung der zahlreichen Internierungslager rund um die Stadt. Seither waren die Langnasen im Straßenbild wieder

Weitere Kostenlose Bücher