Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
die Stachelschweinjagd verlaufen sei.
»Es war Vollmond«, sagte er, »und ich läutete mit der Kuhglocke. Der Sack füllte sich sofort mit Stachelschweinen. Deshalb erschrak ich etwas. Aber da fing es plötzlich an sehr stark zu regnen.« Die anderen lachten, aber Gazza protestierte: »Nein, wirklich heftiger Regen. Aus Kübeln!«
»Was hast du dann gemacht?, wollten seine Freunde wissen.
»Was hättet ihr denn gemacht? Ich bin nach Hause gerannt!«
»Aber, Gazza, was hast du mit deiner Beute gemacht?«, wollte Zambone hinterlistig wissen. »Warum zeigst du sie uns nicht?«
»Ich kann nicht«, sagte Gazza seufzend. »Alle Stachelschweine sind davongelaufen. Ich habe erst später gemerkt, dass der Sack ein Loch hatte.«
Gazza hatte sein Öl eingeladen. Er setzte sich rasch hinter das Steuerrad und entfloh weiteren Spöttereien von Tanacca und Zambone. Sein Auto brauste haarscharf an Tonio vorbei, der eben jetzt auf seinem rostigen Fahrrad angefahren kam. Tonio hatte keine Oliven mitgebracht. Er wollte nur schauen, wer hier war, und ein bisschen plaudern. »Hallo, Tonio«, grüßte ich ihn, »wie geht es?«
»Sehr gut, Dario«, sagte er stolz. »Wirklich sehr gut. Gestern Nacht habe ich sogar meine Frau glücklich gemacht!«
Nichts Außergewöhnliches an dieser Mitteilung, abgesehen davon, dass der sich brüstende Ehemann damals vierundneunzig Jahre alt war.
Tonio ist so klein, dass er einem Waldgeist ähnlich sieht. Er hat einen dichten weißen Haarschopf, den er allerdings meistens unter einer blauen Baskenmütze versteckt. Er hat nicht die müden, feuchten Augen seiner Altersgenossen und auch nicht deren altersgeplagte Haltung. Er steht aufrecht, Schultern nach hinten. Zwar sind seine Wangen so dicht mit roten Äderchen überzogen wie ein Wurzelgeflecht, aber er hat noch alle Zähne, obwohl er, wie er jedermann stolz erzählt, noch nie beim Zahnarzt war oder sich die Zähne mit einer Zahnbürste geputzt hat.
»Meine Frau«, sagte er mit glänzenden Augen, »du hättest sehen sollen, wie sie …«
»Ja, ja, schon recht«, unterbrach ich ihn, denn ich wusste genau, dass er mir sonst seine Bravour als Liebhaber bis ins letzte Detail erzählt hätte. Um das Thema zu wechseln, sagte ich, was mir gerade in den Sinn kam: »Tonio, glaubst du nicht, es wird ein bisschen eng in dieser Ölmühle? Wir sind so viele hier drinnen, dass man vielleicht ans Vergrößern denken sollte.«
»Eh, nini «, antwortete er, und dabei verwendete er die freundliche Anrede Älterer gegenüber den Jüngeren. »Wir könnten es denen von Monteciocchi nachmachen, was meinst du?« Wir setzten uns nach draußen, und er zog aus seiner abgetragenen Flanelljacke eine Schachtel Toscanello-Zigarren hervor. Er zündete eine an, zog daran, damit sie richtig zu brennen begann, und dann fing er an zu erzählen.
»Du musst wissen, nini, dass im Dörfchen Monteciocchi vor dem großen Krieg etwa vierzig Menschen wohnten. Heute sind es höchstens noch fünf. Aber weil die Kirche in der Zeit gebaut worden war, als erst etwa zwanzig Seelen da lebten, kam es, dass die Leute eines Tages zu der Ansicht gelangten, die Kirche sei langsam etwas eng. In den Bänken hatten nicht mehr alle Platz, und eine der Frauen war schwanger und meinte, dass die Gemeinde bald noch ein Mitglied mehr zählen werde. Die Leute von Monteciocchi beschlossen, das Problem in einer Versammlung zu besprechen. Nach der Messe berieten sie sich. Der Priester, der wusste, dass die Kassen fast leer waren, wies den Vorschlag zum Bau einer größeren Kirche sofort zurück. »Was können wir sonst tun?«, jammerten alle enttäuscht. »Ganz einfach«, sagte der Holzfäller, der dafür bekannt war, dass er für jedes Problem eine Lösung hatte. »Versuchen wir es mit vereinten Kräften!«
Der Müller aber war dagegen und erinnerte an ein altes toskanisches Sprichwort, das besagt: »Was ist, wenn wir alle zusammen nicht eins haben, um daraus zwei zu machen?«
Der Holzfäller antwortete: »Ich meine nicht die finanziellen Mittel – ich meine unsere körperlichen. Wenn sich jeder von uns gegen die Wand stemmt und wir alle so kräftig wie möglich stoßen, wird sich die Wand schließlich verschieben.«
Dies hielten alle für eine gute Idee. Am Sonntag darauf machten sie sich nach der Messe an die Arbeit. Sie stellten sich im Innern ringsum an die Mauern, stemmten sich dagegen und drückten kräftig. Nach ungefähr einer halben Stunde gingen sie nach draußen, um das Ergebnis zu begutachten,
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