Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
bestätigte ich, dass »Florence« in der Tat nicht leicht zu finden sei. Die Stadt sei aber auch nicht besonders interessant. Ihr nächstes Ziel, Firenze, sei zweifellos eine wesentlich bessere Wahl. Er bedankte sich, in der Art wie man dem Chefmechaniker seiner Autowerkstatt dankt, wenn dieser meldet, der Lamborghini sei wieder in bester Ordnung. Dann folgte er seiner Frau.
Es vergingen einige Jahre. Eines Nachmittags, als ich im Garten gerade ein paar Rosmarinstöcke pflanzte, klingelte mein Handy. Etwas verärgert zog ich das ungeliebte, aber nützliche Ding mit schmutzigen Händen aus meiner Hosentasche.
Am anderen Ende stellte sich eine mir unbekannte Dame in gebrochenem Italienisch vor und sagte, sie rufe im Auftrag der Taylors an, die ich vor ein paar Jahren auf einen Ausflug ins Chianti-Gebiet begleitet hätte. Wäre es möglich, für ein paar Freunde eine ähnliche Tour zu organisieren?
Im Hintergrund konnte ich Mrs. Taylor hören, die der Dolmetscherin Anweisungen gab und sie beauftragte, mir viele komplizierte Fragen zu stellen. Die Bedauernswerte hatte große Mühe, diese umständlichen Fragen ins Italienische zu übersetzen, weshalb ich anfing, auf Englisch zu antworten. Sie war darüber sehr erfreut und passte sich sofort an. Die Unterhaltung wurde surreal. Mrs. Taylor stellte ihrer Freundin eine Frage auf Englisch. Die Freundin wiederholte mir gegenüber die englische Frage. Ich antwortete auf Englisch, und sie wiederholte Mrs. Taylor meine Antwort auf Englisch. Schließlich fragte die Frau ihre Freundin: »Entschuldige bitte, aber weshalb sprichst du nicht selbst mit Dario?« Ich hörte die Antwort meiner früheren Kundin: »Sei nicht albern – er würde mich nicht verstehen. Er ist Italiener!«
Liebe zwischen den Ruinen
Nach dem mit Fosco verbrachten Tag wurde meine Suche nach alten Häusern zu einer solchen Besessenheit, dass ich auch ein paar Freunde damit ansteckte. Es verging kein Wochenende, ohne dass wir auf unseren Motorrollern die Gegend nach verlassenen Wohnhäusern absuchten. Sie waren ausgezeichnete Verstecke für rebellische, nonkonformistische Teenager. Hier konnte man Joints rauchen, Gitarre spielen, Feste veranstalten und sich auf erste Liebesabenteuer einlassen. Für die meisten von uns waren die Häuser ein Zufluchtsort, weit weg von der Welt der Erwachsenen und von einer Autorität, die wir ablehnten. Mein Interesse aber ging noch weiter. Ich wollte alles über diese Orte erfahren, und so begann ich, die Geschichte des Chianti-Gebietes zu erforschen. Ich entdeckte, dass viele Häuser für militärische Zwecke gebaut und mehrmals zerstört worden waren und dann wieder aufgebaut werden mussten, bis Siena 1555 schließlich endgültig von Florenz besiegt wurde. Nach diesem Datum gingen diese der Verteidigung dienenden Vorposten in Privatbesitz über und wurden den neuen Bedürfnissen entsprechend renoviert.
Gebaut wurden die Häuser aus dem an Ort und Stelle verfügbaren Material. Bei der landwirtschaftlichen Arbeit in den Feldern zusammengetragene Steine wurden aufgehäuft für den Winter. Dann hatten die Bauern Zeit, Raum um Raum ans Hauptgebäude anzubauen und so die wachsende Familie unterzubringen. Die unglaublich dicken Mauern wurden als Trockenmauern errichtet, ohne dass Mörtel verwendet wurde, und die Fundamente waren nicht besonders tief. Trotzdem stehen diese Häuser auch nach Jahrhunderten noch und zeugen vom großen Können ihrer Erbauer. Viele wurden zuoberst auf den Hügeln errichtet, ursprünglich aus strategischen Gründen, weil sie als Festigungen dienten, und später, um die trockenen Winde auszunutzen, die ein Schutz waren gegen die Malaria und gegen Kälte und Feuchtigkeit.
Das typische Bauernhaus weist in der Mitte einen Turm auf. Darum herum wurden in späteren Etappen Anbauten errichtet, häufig auf verschiedenen Ebenen und recht chaotisch. Die Scheune schloss sich an das Hauptgebäude an, aber der Schweinestall befand sich abseits vom Wohnhaus, damit der unangenehme Gestank nicht ins Haus dringen konnte. Der Weinkeller befand sich unter der Erde. Im Erdgeschoss war das Vieh untergebracht, im ersten Stock eine riesige Küche mit einem großen offenen Kamin, der oft der einzige Wärmespender war. Häufig gab es keinen Flur, und so musste man durch verschiedene Schlafzimmer gehen, um sein eigenes zu erreichen, was das Privatleben natürlich stark einschränkte. Ein Badezimmer existierte nicht. Erst gegen 1930 errichtete man die ersten Toilettenanbauten
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