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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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dessen elegantes Federkleid schon manchen Modeschöpfer der Haute Couture inspiriert hat, kann man bewundern, wie er auf harten Baumrinden herumpickend nach Futter sucht. Nach Sonnenuntergang ist der Himmel voller Fledermäuse, und die ganze Nacht hindurch lassen mir unheimliche Eulenschreie das Blut in den Adern gefrieren.
    Eines Frühjahrs erhielt ich von einem eleganten Aparthotel in Siena die Anfrage, ob ich zwei Damen auf eine Rundfahrt begleiten könne. Ich nahm den Auftrag an. Eine der Damen war nach Italien gekommen, um Hotels, Restaurants und andere interessante Dinge auszuwählen für eine Reise, die sie für ihren Mann und ein weiteres Ehepaar für den Monat Juni vorbereitete. Wir besuchten einige der teureren und eleganteren Hotels im Chianti. In jedem ließ die Dame sich ausführlich informieren und schaute die Zimmer, Suiten, Badezimmer, Aufenthaltsräume, Speisesäle, Swimmingpools und sonstigen Einrichtungen sehr genau an. Trotz ihrer pedantischen Gründlichkeit entspannte sie sich am Ende des Tages und wurde freundlich und umgänglich. Sie schien mit den besuchten Orten zufrieden zu sein und auch mit mir, denn sie buchte mich für zwei Tage, wenn sie zusammen mit den übrigen Reisenden zurückkommen würde.
    Einen Monat später meldete sie sich bei mir, um die Buchung zu bestätigen und mir das Programm, das sie vorbereitet hatte, zu schicken. Ich war sehr neugierig zu erfahren, welches Hotel sie gewählt hatte, und stellte erstaunt fest, dass ihre Gruppe die drei Nächte im Chianti in drei verschiedenen Hotels verbringen wollte, wobei sie jeden Tag in ein nur etwa fünfzig Kilometer entferntes Hotel weiterreisen würde. Mir schien das eine äußerst unpraktische und unbequeme Lösung, aber ich dachte, dass die Gruppe von Luxushotels wohl so begeistert sei wie ihre Organisatorin und dass man möglichst viele davon ausprobieren wolle.
    Ich holte sie an einem warmen Junimorgen ab. Allerdings wartete nicht meine ursprüngliche Kundin auf mich, obwohl wir bis zum Vortag über verschiedene Punkte miteinander verhandelt hatten. Eine ihrer Bekannten war an ihrer Stelle da. Diese Dame trug ein recht warmes Wollkostüm mit einer Reihe vorstehender, glänzender Goldknöpfe. Schuhe mit hohen Absätzen und Goldschnallen ergänzten das Bild.
    Alle Achtung, dachte ich. Der perfekte Mirjana-Milosevic-Stil. Damals versuchte die NATO, dem Massaker in Jugoslawien ein Ende zu bereiten, und im Fernsehen waren ständig Bilder von Slobodan Milosevics herrschsüchtiger Frau zu sehen.
    Es war noch nicht neun Uhr, aber sie hielt bereits eine Dose Diät-Cola in den Händen.
    »Sind Sie Dario?«, fragte sie mich und hielt mir die Zeitschrift einer bekannten Kreditkartenorganisation unter die Nase. Es handelte sich um eine Sonderausgabe über Italien. »Wohin begleiten Sie uns heute?«
    Ohne in die Einzelheiten zu gehen, erklärte ich, wir würden das Chianti-Gebiet erkunden, wobei wir uns jedoch ein wenig abseits von den üblichen Touristenrouten halten wollten. Sie machte ein enttäuschtes Gesicht. »Wir schaffen es also nicht bis Veneto!« Sie schlug ihre Zeitschrift auf der Seite auf, wo von einem Schuhgeschäft am Stadtrand von Venedig die Rede war. Ich sagte ihr, dass Venedig mindestens fünf Autostunden von Siena entfernt sei. Es könne deshalb nicht davon die Rede sein.
    »Gut,« sagte sie und blätterte durch die Zeitschrift. »Aber wir können nach Ponte di Legno fahren.« Sie zeigte auf eine Seite, wo ein Geschäft angepriesen wurde, das Spitzen verkaufte. »Das ist in Lucca, das liegt in der Nähe von Toskana!« Ich erklärte ihr freundlich, dass die Toskana eine Region sei, und zwar eine sehr große, und dass Lucca außerhalb des Gebietes liege, in dem ich tätig sei.
    Sie ließ nicht locker. »Gut, dann kein Lucca«, sagte sie und blätterte wieder durch die Seiten, »aber zum Mittagessen müssen Sie mit uns ins Restaurant La Bruschetta!« Während sie sprach, zeigte sie auf eine Seite, wo ein Restaurant, von dem ich weiß, dass es furchtbar schlecht ist, die besten Noten bekam. Ich starrte auf die Zeitschrift. Ich sah voraus, dass deren Autorität meine eigene ständig untergraben würde, und hatte die größte Lust, sie zu packen und zu zerreißen.
    Ich versuchte, die Dame davon zu überzeugen, dass es viel zu umständlich sei, am Vormittag im Chianti herumzureisen und dann die ganze lange Strecke bis zu diesem Restaurant zurückzufahren. Dass die gebotene Qualität diesen Abstecher noch nutzloser machen würde,

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