Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
fragt, werden wir uns bei Ihnen melden.« Wieder andere täuschten große Begeisterung vor, aber kaum hatte ich ihnen den Rücken zugedreht, zerknüllten sie meine teuren Broschüren und schmissen sie in den Papierkorb.
Die meisten Hotelportiers allerdings schienen vor allem an einer Provision interessiert zu sein. Eine solche hätte ich ihnen gerne eingeräumt, hätten sie mich nur reden lassen! Alles in allem besuchte ich mehr als vierhundert Hotels, und an jedem Empfangstisch hinterließ ich ganze Stapel von Broschüren.
Die Zeit verging, aber niemand rief mich an. Da das Handy-Zeitalter noch nicht angebrochen war, saß ich tagelang zu Hause und starrte auf das Telefon. Wenn ich das Haus verlassen musste, kam ich so rasch wie möglich zurück und hörte meinen Anrufbeantworter ab. Aber der hatte nie eine Nachricht für mich gespeichert. Verzweifelt sprach ich Touristen auf der Straße an und überreichte ihnen meine Broschüre. Die meisten aber schauten mich mit meinem Bürstenschnitt in dunklem Anzug mit Krawatte nur an und gaben Fersengeld, weil sie Angst hatten, ich wolle sie zum Mormonentum bekehren.
Nach dieser anfänglichen Niederlage beschloss ich, mich nicht mehr darauf zu verlassen, dass die Leute beim Hotelempfang meine Arbeit für mich erledigen würden. Um herauszufinden, ob man meine Dienste ernst nahm, ging ich zu Plan B über und verließ mich auf die Überzeugungskraft des eindrucksvollen, wenn auch vollkommen erfundenen Mr. Hobbs. Nach jedem Besuch in einem Hotel ging ich zur nächstgelegenen Telefonzelle. Dort wählte ich die Rufnummer des Hotels, das ich soeben verlassen hatte. »Guten Tag«, sagte ich mit einem starken Londoner Akzent, »mein Name ist Hobbs. Ich rufe aus London an. Ich möchte ein Zimmer bestellen, und ich möchte wissen, ob Sie geführte Ausflüge ins Chianti-Gebiet anbieten können.« Ausnahmslos antwortete die Person, die mir gegenüber vor fünf Minuten so viel Begeisterung geheuchelt hatte: »Ich bedauere, mein Herr, wir haben keine derartigen Ausflüge im Programm!«
Nach der zwanzigsten Antwort dieser Art gab ich einem von ihnen endlich einen Wink: »Heißt das, dass Sie Chianti Rooster Tours nicht kennen?«
»Nein, mein Herr!«
»Sind Sie sicher?«, bohrte Mr. Hobbs nach. »Dario Castagnos Chianti Rooster Tours sind Ihnen nicht bekannt? Aber Sie haben doch bestimmt seine Broschüren?«
»Nein, mein Herr, ich bedaure sehr.«
Schließlich konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich wurde wieder Dario Castagno und sagte in meinem breitesten Toskanerdialekt: »Hören Sie mal zu, Sie Mistkerl. Wenn Sie die Schublade vor sich öffnen würden, würden Sie genug Chianti-Rooster-Broschüren finden, um sich Ihren Hintern damit zu putzen!« Und mit dieser Bemerkung legte ich den Telefonhörer wutschnaubend auf.
Meine Situation wurde immer bedenklicher. Abgesehen von ein paar dringenden finanziellen Problemen verlor ich auch jeden Mut. Ich konnte einfach nicht verstehen, weshalb niemand meine Dienste in Anspruch nehmen wollte. Überall sonst im Chianti florierte das Geschäft mit den Touristen. Ich begann, an mir selbst zu zweifeln. Meine ganze Begeisterung und meine Träume vom Erfolg verflogen und ließen nichts als eine große Leere zurück.
Wenn ich aber wirklich aufgab, würde ich wieder auf dem Weingut arbeiten müssen! Nein, der Gedanke, mit hängendem Kopf wieder dort anzutreten, zur großen Freude all derer, die mir abgeraten hatten, mich selbstständig zu machen, war unerträglich!
Ich durfte den Mut nicht verlieren! Ich musste weitermachen!
Juni und die Unzufriedenen
Schon ist der Sommer da, und die Pracht der Rosen hat ihren Höhepunkt erreicht. Der Ginster färbt die Hügel gelb und erfüllt die Täler mit seinem berauschenden Duft. Feldblumen schießen auch auf den felsigen und weniger fruchtbaren Feldern hervor. Kornblumen, Mohn und Kamille sprenkeln die Wiesen, zusammen mit der lachsroten Esparsette, die früher als Futterpflanze angebaut wurde und von der man noch heute gelegentlich ein ganzes Feld sehen kann.
Schwärme von Zugvögeln ruhen sich eine Nacht lang im Chianti aus, und so kann es vorkommen, dass man morgens von einem Heidenspektakel geweckt wird. Die Vögel geben sich hastig Reiseinformationen weiter, bevor sie ihren Flug in Richtung Norden fortsetzen. Oft erklingt der reine, süße Gesang der Goldamsel. Der Sänger selbst lässt sich jedoch nur selten zwischen den Zweigen erblicken. Den wesentlich weniger schüchternen Wiedehopf,
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