Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
der Herr warten draußen auf Sie«, antwortete er in einem vollkommen neutralen und sehr professionellen Tonfall.
Ich hätte mich an die Stirn schlagen können. Wie konnte es mir entgehen, dass das ineinander verschlungene Paar auf der Treppe meine Hochzeitsreisenden waren! Ich trat durch die schwere Holztür nach draußen. Die beiden waren noch immer bei der gleichen Beschäftigung. Dieses Mal bemühte ich mich nicht sonderlich, diskret zu sein, sondern bellte laut: »Mr. und Mrs. Perez?« Sie ließen sofort voneinander ab, sprangen auf und strichen sich geschäftig die Haare und Kleider glatt wie Soldaten, die man schlafend beim Wacheschieben ertappt hat.
Auf dem Weg zum Bus stellten wir uns gegenseitig vor. Sie gaben ein wirklich schönes Paar ab. Beide waren kaum älter als fünfundzwanzig, Kuba-Amerikaner, in Florida geboren und wohnhaft in Miami, wo sie ein gut gehendes Schuhgeschäft betrieben. Sobald wir am Bus ankamen, verstummte das Gespräch. Sie krochen auf den Rücksitz, und noch bevor ich den Zündschlüssel umdrehen konnte, hatten sie bereits wieder angefangen, hemmungslos miteinander zu schmusen.
Verlegen beschloss ich so zu tun, als ob ich nichts bemerkte. Ich begann meine übliche geschichtliche und kulturelle Litanei herunterzuleiern, aber sie hörten offensichtlich kein Wort von dem, was ich sagte. Ich bedauerte, keine dieser elektrischen Trennscheiben zu haben, wie sie in den Luxuslimousinen zur Standardausrüstung gehören.
Jetzt werden sie ja wohl aufhören, dachte ich, als ich den Bus an unserem ersten Zwischenhalt parkte – etwas zu optimistisch, wie sich bald herausstellte. Nicht einmal der Spaziergang durch die Straßen eines malerischen toskanischen Dörfchens vermochte sie voneinander abzulenken. Sie küssten sich vor der Kirche. Alle zwei Schritte folgte ein Kuss. In der Bar küssten sie sich derart innig, dass der Kaffee, den sie bestellt hatten, kalt und ungenießbar wurde.
Als wir zurück im Bus und sie aus dem Blickfeld meines Rückspiegels verschwunden waren, sprach ich überhaupt nicht mehr. Ich suchte eine Kassette mit romantischer Musik, und dann fuhr ich ziellos durch die Gegend, ohne auf die richtige Route zu achten. Inzwischen kletterte die Temperatur höher und höher.
Die Situation war mehr als peinlich. Wie konnte ich einen ganzen Tag mit solchen Kunden überstehen? Ich musste eine Lösung finden. Plötzlich kam mir eine glänzende Idee: die Tombolotti! Weshalb hatte ich nicht schon eher daran gedacht?
Die Tombolotti sind einer der Orte, die so schön und unberührt sind, dass man auf der einen Seite jedermann davon erzählen, sie aber auf der anderen Seite ganz für sich behalten möchte. Dieses Mal stand mein Entschluss fest. Nachdem ich einer endlosen gewundenen Straße gefolgt war, parkte ich den Bus zuoberst auf einem Hügel im Schatten eines Maulbeerbaumes. Dann sagte ich: »Okay, Leute, kleine Programmänderung!« Ihre zerzausten Köpfe tauchten wieder in meinem Rückspiegel auf. Sie waren so versunken gewesen, dass sie nicht einmal gemerkt hatten, dass der Motor nicht mehr lief.
Ich gab ihnen einen Augenblick Zeit, um sich zu fassen, und öffnete dann die Tür, damit sie aussteigen konnten. »Ich zeige euch jetzt einen romantischen, einsamen Ort«, erklärte ich, während die jungen Verliebten mir neugierig folgten. Wir kletterten einen steilen Pfad hinunter. Er führt in ein Tal, das von Sangiovese-Reben gesäumt ist. Die Sonne brannte die ganze Zeit erbarmungslos auf unsere Schultern. Hier ist der Boden so steinig, dass es unmöglich scheint, das irgendetwas darauf wachsen kann. Trotzdem werden in diesem Weinberg im Oktober die besten Trauben im ganzen Chianti-Gebiet geerntet, eine der kleinen Widersinnigkeiten unserer Gegend.
Am Ende des Pfades zwängten wir uns durch Ginsterbüsche und bunte Feldblumen und kamen in einen Wald mit Eichen und Akazien, wo leise, plötzliche Geräusche im Unterholz meine Kunden zusammenfahren ließen. Um sie zu beruhigen, sagte ich, es seien wohl die allgegenwärtigen Eidechsen. Heute frage ich mich, ob eine Warnung vor den tödlichen toskanischen Vipern vielleicht genau das gewesen wäre, was die romantische Glut meiner Kunden abgekühlt hätte.
Am anderen Ende des Wäldchens waren wir an unserem Ziel angelangt. Die schweißverschmierten Gesichter der beiden Verliebten, die während des langen Abstiegs nicht aus dem Staunen herausgekommen waren, erhellten sich jetzt freudig überrascht. Sie standen auf einer kleinen
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