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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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der Familien. Aber ich glaube, das geht uns nun wirklich nichts mehr an.

August und die Verliebten
     
    Jetzt ist es brütend heiß, aber in unseren Höhenlagen sind wenigstens die Nächte kühl und angenehm. Man lehnt sich im Schatten zurück. Die Stille wird nur vom unheimlichen Zirpen der Zikaden gestört. Im August brechen oft Waldbrände aus. Sie zu beobachten ist beängstigend, aber sie haben eindeutig auch etwas Faszinierendes – der Schauer dringt tief in die Knochen, wenn Pinien plötzlich wie Streichhölzer in Flammen aufgehen. Es gibt noch immer Feldblumen im Überfluss. Sie erreichen ihren Höhepunkt im Spätsommer und stehen hoch aufgeschossen und prächtig da oder bewegen sich langsam im Wind. Die Felder werden jetzt von wildem Fenchel beherrscht. Seine winzig kleinen gelben Blüten und die gefiederten dunkelgrünen Blätter verbreiten in der glühend heißen Sommerluft einen deutlichen Duft nach Anis und Lakritze.
    Im August steht in Italien alles still – die Schulen, die Büros, die Läden, die großen Fabriken im Norden und sogar das Parlament. Die Städte entledigen sich ihrer Bewohner, die auf der Suche nach Ruhe und reiner Luft in Massen an die Küsten ziehen und das ganze Chaos und die Umweltverschmutzung, der sie entfliehen wollten, mit sich nehmen. Auch im Chianti-Gebiet verlangsamt sich der Lebensrhythmus. Die Bauern haben in den Rebbergen nur wenig zu tun. Die größten Arbeiten haben sie bereits hinter sich, und bis zur Weinlese dauert es noch zwei Monate. Die Trauben müssen nur noch reifen. Ihr Platz ist jetzt ganz wörtlich »an der Sonne«.
    An einem richtig heißen Augustmorgen erwachte ich früh. Draußen herrschte noch immer Dämmerung. Es war unheimlich still, und kein Lüftchen wehte. Am klaren Himmel zerschmolzen die letzten Sterne hinter den Hügeln. Mit einem unvermittelten roten Aufflammen zeigte sich der bevorstehende Sonnenaufgang an.
    Ich merkte sofort, dass die Luft wärmer war als sonst, und tatsächlich sagte Cristina beim Frühstück, sie habe im Fernsehen gehört, die Tagestemperaturen würden Rekordhöhen erreichen. Angesichts des Hangs der Nachrichtensprecher zum »Alarmismus« schenkte ich dem keine große Bedeutung und zog meine übliche »Arbeitsuniform« an: ein loses, über meine Bluejeans herunterhängendes langärmeliges weißes Hemd und ein Paar schwere Stiefel. Ich gab Cristina einen Abschiedskuss, öffnete das Schiebedach meines Wagens und fuhr nach Florenz, wo ein Paar auf der Hochzeitsreise auf mich wartete.
    Wie inzwischen sicher klar geworden ist, bin ich nie besonders begeistert, wenn ich nach Florenz fahren muss, um Kunden abzuholen. Aber im August ist die Fahrt auf den leeren Straßen beinahe angenehm, und es bereitet ein fast irreales Vergnügen, ganz allein durch die Straßen der Stadt zu rollen, als wären sie meiner ganz persönlichen Benutzung vorbehalten. Überall sieht man vergitterte Schaufenster und an den Türen das orangefarbene Schild CHIUSO PER FERIE - wegen Ferien geschlossen. Die einzigen Menschen in der Stadt sind die Touristen. Sie scheinen ihre Spaziergänge durch Florenz zu genießen, ohne Verkehr, ohne Smog und vor allem ohne Florentiner – ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Das größte Problem ist die drückende Hitze. Wegen der unglücklichen Lage der Stadt am tiefsten Punkt eines von Bergen umgebenen Tals können die Temperaturen wahrhaft afrikanische Werte erreichen.
    Ich parkte direkt vor dem Hotel – noch etwas, das man sich nur in diesem außergewöhnlichen Monat erlauben kann – und versuchte, ins Hotel hineinzugehen. Der Weg wurde mir jedoch von einem jungen Paar versperrt, das auf den Stufen vor dem Eingang saß und sich leidenschaftlich küsste. Ich wollte diese Leidenschaft nicht stören und wartete deshalb ein paar Minuten, weil ich dachte, die beiden würden sich entweder etwas beruhigen – ganz im Gegenteil, sie umschlangen sich immer heftiger – oder meine Anwesenheit bemerken, doch wenn sie das taten, dann ließen sie sich dadurch nicht im Geringsten stören. Schließlich beschloss ich, mich an ihnen vorbeizuzwängen. Ich quetschte meinen Rücken gegen das Geländer, stieß alle Luft aus der Lunge und konnte mich so knapp hinter dem Rücken der Verliebten durchschieben. Am Empfang fragte mich der höfliche Portier, der schweißgebadet in seinem gestärkten Pinguinanzug dastand, ob er mir irgendwie behilflich sein könne.
    »Ich habe eine Verabredung mit Mr. und Mrs. Perez«, sagte ich.
    »Die Dame und

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