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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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Lichtung, durch die sich ein Flüsschen an einer grün bewachsenen Bucht vorbeischlängelte. Da und dort hatte es in die felsigen Ufer eine Reihe natürlicher Badewannen gegraben, die mit so klarem Wasser gefüllt sind, dass man auf dem Grund manchmal Flusskrebse sehen kann – ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Wasser wirklich sauber ist. Hier in der Tallichtung ist die Strömung so stark, dass sich kleine Wasserfälle mit anschließenden Auffangbecken bilden, die alle miteinander verbunden sind. Eine Schutzwand aus Pflanzen umsteht jedes einzelne Becken, als ob die Natur sie absichtlich und eifersüchtig geheim halten wollte.
    Ich sagte: »Wenn ihr wollt, könnt ihr den ganzen Tag hier bleiben.« Der Vorschlag schien ihnen zu gefallen, und so fügte ich hinzu: »Gut, das alles gehört ganz allein euch. Ich komme in ein paar Stunden zurück und bringe etwas zu essen mit. Wenn ihr wollt, könnt ihr hier nackt baden. Ich garantiere euch, dass niemand hierher kommt. Wenn ich zurück bin, rufe ich von oben, damit ihr wisst, dass ich hinunterkomme.«
    Die Jungverheirateten schienen begeistert zu sein. Sie hatten ein kleines Stück Paradies gefunden, und mehr noch, es gehörte ihnen ganz allein! Sichtlich gerührt bedankten sie sich und fingen wieder an, sich zu küssen. Ich blieb lange genug, um ihnen ein paar Ratschläge zu geben. Während ich das tat, beobachtete ich die Wasseroberfläche, auf der kleine Insekten Schlittschuh liefen, und ich musste lachen, weil ihre Schatten, die sich auf dem Boden des Beckens spiegelten, aussahen wie die Abdrücke von Katzenpfoten auf der Motorhaube eines Autos.
    Auf meinem langsamen Rückmarsch die Hügelkuppe hinauf kam ich an einem Schwarm Schmetterlinge vorbei, und ich war belustigt und verwundert, als ich merkte, dass alle hinter einem gleichfarbigen Partner herzufliegen schienen – als würde es sich um ein Mannschaftsspiel handeln. Die Mutigsten ruhten sich auf meinen verschwitzten Armen aus und kitzelten mich kaum spürbar. Libellen verschiedenster Größen, aber alle riesig, zeichneten derweilen unsichtbare geometrische Linien in die Luft und paarten sich gleichzeitig mit einer solchen Zielsicherheit, dass selbst die kühnsten Verfechter des Kamasutra mehr als genug davon bekommen hätten.
    Ich habe die Tombolotti als Teenager entdeckt, als ich durch die Wälder irrte und mich so gut es ging drum bemühte, mich vom täglichen Leben abzuschirmen. An solchen Orten fing ich an, die psychedelische Welt kennen und schätzen zu lernen; hier rauchte ich meine ersten Joints und lauschte der Musik, die den Geist auf eine andere Ebene befördert, wo man sich mit der Umwelt eins fühlt.
    Ich wartete ein paar Stunden und kehrte dann mit Obst, Mineralwasser und Brötchen mit Orianos bester hausgemachter Salami und Schinken zurück. Die jungen Verliebten lagen sich noch immer in den Armen, jetzt unter einem eiskalt von einem Felsvorsprung herabsprudelnden Wasserfall.
    Auf einem flachen Felsen sitzend, aßen wir die Brötchen und vergnügten uns damit, die Fische mit Brotkrumen zu füttern oder ließen unsere Beine unbeweglich ins Wasser baumeln, bis die Fische verwegen genug wurden, um näher zu schwimmen und sachte an unseren Waden zu knabbern. Bei der Unmenge von Fischen, die unsere trockene Haut anlockte, muss ich darauf schließen, dass diese in Kreisen der Wasserbewohner eine absolute Delikatesse ist.
    Nach dem Essen ließ ich das Paar nochmals allein. Erst spätabends holte ich die beiden wieder ab. Als ich sagte, es sei Zeit, nach Florenz zurückzufahren, waren sie so enttäuscht, dass sie noch jünger aussahen – wie Kinder, denen man plötzlich ihr Lieblingsspielzeug wegnimmt. Auf dem Rückweg legte ich eine Kassette mit Liebesliedern ein, drehte den Rückspiegel zur Seite, damit sie ungestört waren, und sagte auf der ganzen Fahrt kein einziges Wort.
    Neun Monate später riefen sie mich an, um mir für diesen denkwürdigen Tag in der Wildnis des Chianti zu danken und mir mitzuteilen, dass sie nun zu dritt seien, weil sie einen wunderschönen kleinen Sohn bekommen hätten. Er heiße Dario.

Intervall – Die amerikanische Raupe
     
    Gewisse Menschen hinterlassen – wenn sie diese Welt für immer verlassen – ein fast greifbares Erbe, mehr als nur Geist, eine bleibende Furche auf einem brachliegenden Feld. Einer von ihnen ist Roy Moskovitz, der Amerikaner der Noblen contrada der Raupe, ein Mann, dem es nicht gelang, von den Sienesen und von einer contrada wirklich

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