Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
Kellner zwei runde Holztische äußerst elegant gedeckt hatten. Die eine Hälfte der Touristen setzte sich mit unserer Gastgeberin und Köchin an den ersten Tisch. Wir anderen nahmen mit dem Ehemann der Dame am zweiten Tisch Platz. Als wir uns gesetzt hatten, versuchte ich, mit diesem Herrn ins Gespräch zu kommen, aber er musste irgendein Gebrechen haben. Statt meine Fragen zu beantworten, lächelte er nur freundlich und bewegte den Kopf auf und ab.
Das Essen war hervorragend, doch wir waren etwas beklommen, weil wir nicht wussten, was wir mit dem Ehemann anstellen sollten. War es besser, ihn in Ruhe zu lassen, oder sollten wir versuchen, mit ihm zu sprechen, und Gefahr laufen, ihn zu demütigen, weil er nicht antworten konnte? Dieses Problem hatten wir auch, als er zum Kaffeetrinken mit uns in den Garten kam.
Schließlich verabschiedeten wir uns von diesem merkwürdigen adligen Ehepaar und kehrten zum Bus zurück. Miss Goldberg packte mich am Arm und sagte: »Dario, wir müssen das Castel Brolio streichen und direkt nach Radda fahren.« Auch wenn ich dachte, es sei schade, das Schloss zugunsten des Städtchens zu streichen, wusste ich, dass es keinen Sinn hatte, zu diskutieren. Abgesehen davon hatte ich Angst um meinen Arm. Ich willigte ein, und sie ließ mich los.
In Radda angekommen, gewährte sie ihrer Gruppe zehn Minuten Freizeit, was in diesem Fall genügte, angesichts der Größe des Ortes und der wenigen Sehenswürdigkeiten. Als die Gruppe zurückkam, konnte ihre doppelzüngige Leiterin es nicht erwarten, ihrer Begeisterung über Radda Luft zu machen: »Welch schönes Dorf! Ist es nicht viel hübscher als Montalcino?«
Als die Touristen auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, bemerkte ich, dass alle von ihnen – wirklich jeder einzelne – die Gelegenheit genutzt hatte, ein Wiegemesser zu kaufen.
Glücklicherweise war der Tag jetzt vorbei. Als wir nach Siena zurückgekehrt waren, verabschiedete ich mich. Ich bekam keinen Heller Trinkgeld, dafür überschüttete mich Miss Goldberg mit einem Schwall von Kritik, von der sie wohl dachte, sie sei mir mehr wert als Geld. »Sie kennen die Gegend hervorragend«, sagte sie von oben herab, »aber Sie haben einen sehr unangenehmen Charakter und können keine Befehle entgegennehmen. Trotz allem werden ich Ihnen weitere Kunden schicken.«
Ich versuchte, mir vorzustellen, welche Art Kunden sie mir senden würde – weitere Herden träger, unaufgeweckter und humorloser Nullen, angeführt von Miss Goldbergs lackierten und tyrannischen Kolleginnen. Ich dankte ihr, sagte aber, dass ich keine derartigen Empfehlungen entgegennehmen würde, und ließ sie in einem Zustand verstörten Entsetzens stehen.
Als ich wegging, hätte ich am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht und ihre plumpen rosa Wangen zwischen meinen Fingern zerquetscht – aber das Verlangen verebbte, und es blieb nur eine Art Mitleid für sie zurück.
Nach ein paar Wochen erhielt ich zu meinem Erstaunen einen Brief, in dem die verrückte Miss Goldberg mir im Namen aller ihrer Gäste für die drei denkwürdigen Tage, an die sie stets gern zurückdenken würden, dankte. Ich dachte ein Weilchen darüber nach und kam dann zu dem Schluss, dass ich von einem Wiegemesser gerettet worden war.
Intervall – Tod und Leben in Amerika
An einem unvergleichlich milden Oktobertag holte ich Mr. und Mrs. Hanley ab. Sie hatten ein ziemlich abgelegenes Haus auf einem Hügel gemietet, mit Blick auf eines der schönsten Chianti-Täler. Mein treuer Bus mit Vierrad-Antrieb musste auf der Fahrt dahin eine steile Naturstraße hinaufklettern. Sie führte durch einen herrlichen Kastanienwald, dessen Blätter sich bereits gelb verfärbt hatten und dessen kostbare Früchte reif waren.
Das einsame Haus war sehr gemütlich, weil es einfach und mit gutem Geschmack restauriert worden war. Und die Aussicht war wirklich unglaublich. Meine Kunden warteten bereits vorne beim Hühnerhof auf mich. Wir fuhren sofort los. Beim strahlenden Sonnenschein heute war ich mir sicher, dass wir einen schönen Tag miteinander verbringen würden.
Bis wir uns zum Mittagessen setzten, waren aus Mr. und Mrs. Hanley Bruce und Suzanne geworden. Aber unsere gute Morgenlaune schlug rasch um. Bruce wurde vom Lokalblatt abgelenkt, das ein Mann am Nebentisch las. Obwohl er nicht Italienisch sprach, konnte Bruce sehen, dass die ganze Titelseite der Hinrichtung eines amerikanischen Staatsangehörigen am Tag zuvor gewidmet war. Bruce und Suzanne wollten beide
Weitere Kostenlose Bücher