Toskanische Verführung (German Edition)
bin hart im Nehmen, das weißt du.«
Er lachte und sie hörte die Erleichterung in seiner Stimme. Sie plauderten noch eine Weile, dann verabschiedete Flannery sich und legte auf.
Ein Freund?
Sie schrak zusammen, als die Schrift auf dem Monitor vor ihr erschien. Also saß Hugo doch dort hinten in seinem Zimmer, in vollkommener Dunkelheit. Weil er sie beobachtete?
Mein Chef , tippte sie. Sie trank einen Schluck Brandy, schob alle Gedanken an Hugo beiseite und vertiefte sich wieder in die Datenbank. Sie hatte jetzt schon fast drei Dutzend Bücher zusammen, die für Phil so interessant sein dürften, dass der Ankauf der Bibliothek sich für ihn lohnen würde. Die Liste schrieb sie ab, kommentierte die einzelnen Titel und gab eine Bewertung des jeweiligen Zustandes und des geschätzten Sammlerwertes ab. In zwei Fällen war sie gezwungen, die Datenbank des Auktionshauses abzurufen, um einen Schätzwert einzuholen. Sie pfiff leise vor sich hin, während sie auf die Verbindung wartete, und rief nebenbei ihre Emails mit dem Smartphone ab.
Der Brandy wärmte ihre Kehle. Sie warf einen Blick zu der Trennscheibe, hinter der sie jetzt ein schwaches Licht schimmern sah, und gab, einem Impuls folgend, den Namen ›Hugo Madsen‹ bei Google ein. Sie überflog die Treffer, zu denen sogar ein Wikipedia-Eintrag gehörte, und runzelte die Stirn. Hugo Madsen, dessen Verwandtschaft zum della Gherardesca-Clan nirgendwo erwähnt wurde, war ein dänischer Unternehmer, der in seiner Freizeit halbprofessionell Rennen gefahren war. Tourenwagen, Rallye, Cross. Ein Autonarr. Und er war tot, gestorben mit Ende Dreißig vor drei Jahren - wie passend - bei einem Autounfall.
Flannery blickte auf, starrte ins Dunkel unter der Galerie. Hugo , tippte sie, erzählen Sie mir von sich .
Der Cursor blinkte. Nach einer Weile erschienen die Worte: Was möchten Sie wissen, Flannery?
Sie lehnte sich zurück und drehte das halbleere Glas zwischen den Fingern. Was wollte sie wissen? Sie konnte ihn ja schlecht fragen, ob er tot war.
Was haben Sie gemacht, bevor Sie hierher kamen? Hatten Sie einen Beruf?
Ich bin Rentier , kam die ausweichende Antwort. Glücklicher Nichtstuer. Ich darf hier sitzen und lesen, schreiben, nachdenken. Beneiden Sie mich, fleißige Flannery?
Lesen, schreiben, nachdenken. Flannery lächelte unwillkürlich. Wie alt sind Sie? , fragte sie. Und setzte hinzu: Vergeben Sie mir meine indiskrete Neugier. Ich versuche mir ein Bild zu machen, mit wem ich mich hier des Nachts unterhalte.
Ein Bild. Sie stellte das Glas ab und gab seinen Namen erneut ein. Die Bildersuche lieferte einige Ergebnisse, die aber offensichtlich ganz unterschiedliche Männer zeigten. Sie wurde unsicher. Vielleicht bezog sich ja auch der Wikipedia-Eintrag gar nicht auf diesen Hugo Madsen, sondern auf einen Namensvetter. Andererseits hatte auch Maddalena von einem Autounfall gesprochen.
Ich bin langweilig, antwortete ihr unsichtbarer Gesprächspartner. Erzählen Sie mir lieber von sich, Flannery. Haben Sie einen Freund? Familie?
Flannery hob die Hände zur Tastatur, zögerte. Nein , schrieb sie dann.
Niemand, der sich nach Ihnen sehnt? Der Sie vermisst?
Sie biss die Zähne zusammen. Nein. Niemand.
Der Cursor sprang vorwärts. A rme Flannery. Armer Hugo. Allein auf dieser Welt, unbeweint und nicht beachtet. Ich verstehe es, wenn ich in den Spiegel blicke. Aber Sie? Eine so schöne junge Frau wie Sie sollte einen Freund haben. Eine Familie, Kinder ...
Flannery leerte mit einem entschlossenen Schluck ihr Brandyglas. Ich muss arbeiten, Hugo , schrieb sie. Seien Sie mir nicht böse. Unser Kunde erwartet einen Bericht.
Keine Antwort. Anscheinend hatte sie ihn gekränkt. Sie beschattete die Augen, starrte in die Dunkelheit. »Es tut mir leid, wirklich«, rief sie.
Keine Reaktion. Sie zuckte die Achseln, vertiefte sich in ihre Listen und vergaß Hugo.
13
Nach vier Stunden Schlaf hatte sie Flavio eine Stunde lang in der Bibliothek beim Ausräumen der Regale beaufsichtigt. Danach war sie noch einmal ins Bett gegangen und erst am frühen Nachmittag wieder aufgestanden, um in der Küche ein verspätetes Frühstück einzunehmen. Maddalena hatte sich erstaunlich gesprächig gezeigt und ihr ein paar Anekdoten aus der Kinderzeit des Grafen erzählt. Flannery war gerührt, wie liebevoll die Haushälterin über ihren Herrn sprach. Wenigstens ein Mensch im Haus, der ihn richtig gern hat, dachte sie.
Alessandro della Gherardesca hatte seine Mutter verloren, als er zehn war.
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