Toskanische Verführung (German Edition)
ausgelegten Abendkleidern, musterte sie mit abfälliger Miene und deutete auf das meergrüne Seidenkleid. »Dieses«, sagte er. »Die Farbe schmeichelt ihrem Teint und harmoniert mit der Farbe ihres Haars.« Er musterte Flannery vom Kopf bis zu den Füßen. Der taxierende Blick machte sie wütend. Was war sie, ein Kleiderständer? Ein Auto, das es vor dem Kauf zu begutachten galt?
»Signor della Gherardesca ...«, begann sie mit zusammengebissenen Zähnen, »Dawkins hat mich doch wohl kaum von meiner Arbeit weggezerrt, damit ich hier Kleider für Sie anprobiere.«
»Nun ziehen Sie sich schon um«, fuhr der Graf sie an. »Ich habe heute noch einen Termin, stehlen Sie nicht meine Zeit, Ms Widerspruch.« Er warf dem Sekretär einen scharfen Blick zu. »Helfen Sie ihr bei den Verschlüssen.«
»Signor della Gherardesca!«, rief Flannery empört.
»Ah, meinetwegen holen Sie Maddalena aus der Küche. Frauen und ihr zimperliches Getue!«
Die Tür klappte energisch zu. Flannery wechselte einen Blick mit Dawkins, der mokant lächelte. »Unterstehen Sie sich«, sagte Flannery. »Meinetwegen, ich ziehe das an. Aber ohne Ihre Hilfe, schönen Dank! Raus!«
Einige atemlose Minuten später vergaß sie vollkommen, was, wer und wo sie war. Das Abendkleid war schöner als jedes Kleid, das sie je gesehen, geschweige denn am eigenen Leib getragen hatte. Es schimmerte wie Stoff gewordenes Wasser, glitt flüssig und trotzdem üppig an ihrem Körper hinab, fiel in schweren Falten auf ihre bloßen Füße und schwang bei jeder Bewegung gleichzeitig träge und anmutig um ihre Beine. Ein Tanzkleid, geschaffen für Walzer und Rumba, während sie ihr Tänzer unter Lüstern aus Kristall über ein glänzendes Parkett führte, sein Arm in ihrem Rücken, die Hand leicht auf ihrem Schulterblatt ...
Flannery erwachte jäh aus ihrer träumerischen Betrachtung und richtete sich hastig auf. Sie schloss den Reißverschluss und schlüpfte in ein Paar elegante, für ihre Größe glücklicherweise nicht zu hochhackige Pumps. Ein Spiegel wäre jetzt schön gewesen. Sie musterte ihr undeutliches Abbild im Glas des bodentiefen Fensters. Schimmernde Seide, helle Haut, glänzendes Haar ... das ähnelte kaum noch der Flannery Gardner, die sie kannte.
Jemand klopfte. »Gardner?«, rief Dawkins, »Sind Sie so weit?«
Ehe Flannery antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen und der Graf stand im Rahmen. Der Blick, mit dem er sie ansah, war düster wie eine finstere Gewitternacht. Er näherte sich wortlos, ging um sie herum, presste die Lippen zusammen und nickte schließlich. »Das ist akzeptabel«, sagte er.
»Akzeptabel?«, entfuhr es Flannery. Sie kreuzte die Arme vor der Brust, denn das Dekolleté erschien ihr mit einem Mal viel zu offenherzig. »Das ist das schönste Kleid, das ich je gesehen habe. Ich wollte, ich könnte es ...« Sie biss sich auf die Lippen. »... in einem Spiegel sehen«, beendete sie den Satz hastig.
»Nehmen Sie die Hände runter, stehen Sie gerade«, fuhr della Gherardesca sie an. »Dawkins, wir brauchen noch eine - wie heißt das?« Er wedelte mit der Hand vor seinem Hals herum.
»Stola?«, sprang der Sekretär ein. Er stand neben dem Tisch und schob Accessoires hin und her. Sein Blick flackerte zu Flannery und sie sah ihn verstohlen grinsen.
»Ja. Es könnte spät werden und sollte Gardner sich verkühlen, kann sie ihrer Arbeit nicht mehr angemessen nachgehen.« Der Conte sah sie grübelnd an, die Hand am Kinn. »Ihre Frisur ist jenseits von Gut und Böse«, sagte er. »Wer kann ihr die Haare machen?«
Dawkins zog einen Notizblock hervor und notierte. »Stola. Friseurtermin bei Christos.« Er warf dem Grafen einen fragenden Blick zu. »Maniküre und so weiter inklusive?«
Flannery schrak zurück, aber della Gherardesca hatte schon ihre Hand gepackt und betrachtete sie mit Abscheu. »Auf jeden Fall«, sagte er und ließ ihre Hand wieder fallen.
Flannery sah ihn böse an. »Darf ich jetzt bitte endlich erfahren, was das hier zu bedeuten hat?«
»Dawkins«, antwortete der Graf, indem er an ihr vorbei seinen Sekretär ansah. »Instruieren Sie Gardner bitte.« Mit diesen Worten ging er an Flannery vorbei, ohne ihr noch einen Blick zu schenken, und verließ den Salon.
»Ungehobelter Klotz«, rief Flannery ihm hinterher. Sie glaubte, ein Lachen von draußen zu hören, aber das war sicherlich ein Irrtum.
Der Sekretär beugte sich über seine Notizen, so dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte, aber sie sah, dass seine
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