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Toskanische Verführung (German Edition)

Toskanische Verführung (German Edition)

Titel: Toskanische Verführung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Hille
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einen Umhang gehüllt vor den Spiegel gesetzt, wo Sonja in konzentriertem Schweigen an ihr herumzumalen, -bürsten und -pudern begann. Flannery sank erneut in einen hypnotischen Zustand, in dem ihr die seltsamsten Gedanken durch den Kopf trieben. Die Geschichte, die Maddalena ihr erzählt hatte, hatte einen beunruhigenden Nachgeschmack hinterlassen. Sollte der Vater der beiden Jungen wirklich Alessandros Mutter die Treppe hinuntergestoßen haben? Vielleicht hatte es Streit zwischen ihr und ihm gegeben, weil er fremd ging? War er betrunken gewesen? Was für eine Frau mochte Alessandros Mutter gewesen sein - eine liebevolle Mutter oder eher eine kühle, distanzierte Schönheit, wie auch ihr Sohn sie zu bevorzugen schien?
    »Signora Gardner? Signora?« Flannery wandte ihre Aufmerksamkeit wieder nach außen. Sie begegnete ihrem Blick im Spiegel, musterte die Fremde, die sie aufmerksam und verblüfft ansah, nickte zögernd und sagte: »Danke. Das haben Sie wirklich gut hinbekommen ... bin ich das?« Sie drehte den Kopf, betrachtete sich aus dem Augenwinkel, lächelte probeweise, senkte die plötzlich erstaunlich langen Wimpern, während die Visagistin zufrieden nickte und begann, ihre Utensilien einzupacken.
    Sie gab Dawkins die Klinke in die Hand. Der Sekretär musterte Flannery, zog eine Braue empor und nickte mehrmals stumm. Dann reichte er ihr eine winzige Handtasche, eine bestickte Stola und deutete zur Tür. »Wenn Sie noch mal für kleine Mädchen müssen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt. Ansonsten: Ihre Kutsche wartet.«
    Flannery räusperte sich, mit einem Mal nervös wie ein Mädchen vor ihrem ersten Tanzstundenball. Sie nahm die Stola über den Arm, griff nach der Handtasche und öffnete sie. Zigaretten, Feuerzeug, Kopfschmerztabletten, ein Taschentuch. Sie hob den Blick und lächelte Dawkins an. »Sie sind der perfekte Butler, Dawkins.«
    Der Sekretär neigte leicht den Kopf. »Das habe ich schon mal gehört. Empfehlen Sie mich bitte nicht weiter, gnädige Frau.« Er öffnete ihr die Tür und sah ihr mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht nach.

14
    Flannery ging zur Treppe, die hinunter in die Eingangshalle führte. Einen Moment lang hätte sie fast dem Impuls nachgegeben, sich auf dem Absatz herumzudrehen, in ihr Zimmer zu flüchten, sich das Kleid vom Leib zu reißen und den frisch frisierten Kopf unter ihrem Kopfkissen zu verstecken. Was, bei allen guten Geistern, tat sie hier? Sie war in dieses Haus gekommen, um eine Bibliothek zu begutachten. Und jetzt stand sie hier wie Cinderella vor ihrem ersten Date und spürte das Herzklopfen bis in ihre Schläfen pochen.
    Hinter ihr ertönte ein leiser Pfiff. »Haltung, Gardner«, hörte sie Dawkins zischen. »Los, ran an den Speck, amüsieren Sie sich!«
    Flannery musste lachen und klemmte die alberne kleine Tasche unter ihren Arm. Dann reckte sie das Kinn und schritt die Treppe hinunter.
    Alessandro della Gherardesca wartete neben der Tür. Er schien in Gedanken versunken, sein Blick war verschattet und seine Züge trugen den düsteren Ausdruck, den Flannery an ihm zu fürchten gelernt hatte. Er schien sich trotz seiner leidenschaftlich vorgetragenen Einladung an sie nicht gerade auf das bevorstehende Ereignis zu freuen. Flannery verharrte und sah ihn an, während der Boden sich unter ihren Füßen in einen schnell abwärts sausenden Fahrstuhl verwandelte. Sie legte die Hand auf ihren Magen, um ihn zu beruhigen, aber ihre Aufmerksamkeit galt ihrem Begleiter für diesen Abend. Es war das erste Mal, dass sie ihn in einem formellen Abendanzug zu Gesicht bekam, und der Eindruck war in jeder Hinsicht hinreißend. Der edel schimmernde Stoff des Smokings fand sein Echo im glänzenden Haar, das straff nach hinten gekämmt sein römisches Profil betonte. Das blendend weiße Hemd bildete einen scharfen Kontrast zu seiner gebräunten Haut und die sportliche Figur kam in dem hervorragend geschnittenen Anzug noch besser zur Geltung als sonst. Ein verdammter Beau mit den schlechtesten Manieren der Welt.
    Als hätte er ihre Gedanken gehört, blickte er auf und ihr ins Gesicht. Sie beobachtete die Verblüffung und das beinahe ungläubige Staunen, das ihn bei ihrem Anblick überkam. Seine Augen verloren den melancholischen Ausdruck und sein Gesicht verzog sich zu einem erstaunlich offenen, herzlichen Lächeln. »Flannery Gardner«, sagte er, und seine Stimme strich über ihre Nerven wie eine raue Katzenzunge.
    Sie schauderte unwillkürlich und griff nach dem Treppengeländer.

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