Toskanische Verführung (German Edition)
schützen.
Abends lehnte sie an ihrem Schreibtisch in der Bibliothek und trank kalt gewordenen Tee. Den dunkelgelockten, jungen Mann, der in der Tür stand und seine Mütze in der Hand drückte, kannte Flannery vom Sehen. Er hockte gelegentlich bei Maddalena in der Küche oder er stand in der Einfahrt über einen der luxuriösen Schlitten des Grafen gebeugt und polierte imaginäre Stäubchen vom glänzenden Lack. Wie hieß er noch? Flavio.
»Ich soll Ihnen helfen, Signora«, sagte er und sah sich unbehaglich um. »Allerdings weiß ich nicht ... Bücher ...?«
Flannery lehnte sich zurück und streckte ihre Arme, schüttelte die Hände aus und blickte auf ihre Armbanduhr. Schon so spät?
»Heute brauche ich Sie nicht mehr, Signor Flavio«, sagte sie. »Aber es wäre überaus freundlich, wenn Sie mir morgen zur Hand gehen könnten. Ich möchte die Bücher aus diesem Regal dort hier auf dem Tisch haben.«
Der junge Mann musterte das Regal, den Tisch und Flannery und lächelte erleichtert. »Das kann ich. Gerne, Signora. Morgen früh muss ich etwas in Livorno besorgen, aber danach könnte ich Ihnen hier zur Hand gehen.«
Sie dankte ihm und fuhr fort, Buchtitel in die Datenbank einzugeben. Heute war ihr Zwischenbericht für Kendal fällig, er hatte eine Mail geschickt, in der er um eine erste Einschätzung bat. Wahrscheinlich drängelte Phil Lamont, das sah ihm ähnlich. Er war schon immer schrecklich ungeduldig gewesen. Das hieß, dass sie eine Nachtschicht einlegen musste. Morgen Vormittag würde sie dann Flavio beaufsichtigen und danach einen halben Tag frei nehmen. Sie könnte nach Livorno fahren. Oder einfach einen faulen Nachmittag am Strand verbringen.
Die Tür sprang auf und die lässige Gestalt des Sekretärs lehnte am Rahmen. »Schöne Lady, Ihr Garderobier lässt bitten«, sagte er kryptisch.
Flannery beäugte ihn verwirrt. »Haben Sie was getrunken?«, fragte sie.
Dawkins lachte. »Leider nein. Man hat mir aufgetragen, Ihre Garderobe für das große Event zu besorgen und das habe ich getan. Kommen Sie jetzt bitte zur Anprobe?«
Flannery verschluckte sich und hustete. »Sie haben getrunken«, beharrte sie. »Ich verstehe kein Wort von dem, was Sie mir erzählen.«
Dawkins grinste und deutete zur Tür. »Wenn der Herr befiehlt, springt das Gesinde. Kommen Sie, Gardner, sonst lässt er uns wegen Insubordination in Ketten schlagen und ins Verlies werfen.«
Flannery folgte ihm mit gerunzelter Stirn. »Ich habe noch ein paar Stunden Arbeit vor mir«, sagte sie vorwurfsvoll. »Hoffentlich dauert es nicht zu lange. Was genau will er von mir?«
Der Sekretär öffnete ihr die Tür zu einem kleinen Salon, den sie noch nicht kannte. Über einer Chaiselongue waren Kleider ausgebreitet, darunter standen mehrere Paar Schuhe, auf einem Stuhl lagen Abendhandtaschen und lange Handschuhe.
»Meine Güte«, sagte Flannery. Ihr Blick blieb an einem fließenden Seidenkleid hängen. Blaugrün. Grünblau? Es schimmerte und changierte in allen Schattierungen des Meeres.
Dawkins hatte sich in einen Sessel geworfen und entzündete eine Zigarette. »Das war auch meine erste Wahl«, sagte er, ihrem Blick folgend. »Kostet ungefähr so viel wie ein japanischer Kleinwagen.« Er wippte mit dem Fuß. »Soll ich Ihnen helfen, Gardner? Man sagt mir eine gewisse Geschicklichkeit beim Entkleiden hübscher junger Damen nach.«
»Dawkins, Sie sind frech«, erwiderte Flannery. »Ich rühre mich nicht vom Fleck, ehe Sie mir nicht gesagt haben, was ...«
»Darling, diskutieren Sie nicht herum - probieren Sie das Zeug an. Unser Herr und Meister wünscht Sie in jedem dieser Outfits zu sehen.« Er winkte mit der Zigarette in Richtung Chaiselongue. »Das Grüne wird er nehmen. Aber zeigen Sie ihm ruhig auch das Dunkelblaue und das Violette.«
Flannery starrte die Kleider an, dann den Sekretär. »Sie sind übergeschnappt.«
»Ich nicht«, erwiderte er düster. »Aber es gibt einen Kandidaten auf die Gummizelle in diesem Hause, oh ja.«
»Wie weit sind Sie?«, erklang die Stimme des Grafen von der Tür her.
Flannery beobachtete amüsiert, wie die lässige Attitüde des Sekretärs der beflissenen Haltung Platz machte, die er immer an den Tag legte, wenn Alessandro della Gherardesca in seiner Nähe weilte. »Wir beginnen gerade mit der Anprobe, Signor Conte«, sagte er und ließ fingerfertig seine Zigarette verschwinden. »Signora Gardner kann sich nicht entscheiden, welche Robe sie zuerst probieren möchte.«
Der Graf schlenderte zu den
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