Toskanische Verführung (German Edition)
dem Elga getötet und sein Bruder in ein verkrüppeltes, von Weltekel erfülltes Ungeheuer verwandelt worden war.
Er zwang seine Gedanken in eine andere Richtung. Dies hier würde nur in tiefster Dunkelheit, schwärzester Bedrückung enden. Er musste an morgen denken. Morgen würde er Gardner bitten, mit ihm zu frühstücken. Vielleicht konnte er sie dazu überreden, einen Tag die Arbeit sein zu lassen und mit ihm einen Ausflug zu machen. Sie schwamm doch gerne. Oder nein, er würde sie für zwei oder drei Tage nach Florenz entführen. Sie konnten ... es würde ...
Er stieß so heftig den Stuhl um, dass er gegen die Wand polterte. Sie würden nichts. Gardner würde ihm ihren kühlsten Blick schenken und ihn »Signor Conte« nennen und überaus höflich und eisig alle seine Vorschläge ablehnen. Er hatte sie heute Abend behandelt wie ein Dienstmädchen. Er hatte sich benommen wie ein komplettes Arschloch.
Alessandro wanderte ziellos durch das Haus. Sein Haus. Sein Gefängnis, sein Kerker, seine Gruft. Wie sehr er dieses Haus hasste. Hier war seine Mutter gestorben, hier hatte er dem Siechtum seines Großvaters zusehen müssen, hilflos in beiden Fällen. Er fand sich auf der Terrasse wieder, heftig atmend wie nach einem schnellen Lauf. Die Nachtluft war sanft und schmeichelnd und duftete betörend. Keine Frau roch jemals so gut wie der nächtliche Garten des Hauses, das er so sehr hasste.
Er ging mit schnellen Schritten über die Terrasse und auf die Bibliothek zu. Vielleicht war Hugo noch dort, saß über seinen Aufzeichnungen, trank Whisky und rauchte. Er musste mit Hugo reden, sehr dringend sogar. Ruggiero Collani hatte ihm die Warnung zukommen lassen, die schon seit einem Jahr wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf gehangen hatte, er musste nun dringend mit Hugo besprechen, was zu unternehmen war.
19
Es war schon sehr spät, aber ihre Schwester war eine Nachteule, also wählte Flannery ihre Nummer und blickte, während das Freizeichen in ihr Ohr klingelte, aus dem Fenster ihres Zimmers. Sie hatte sich ihre bequeme Leinenhose und ein weites Hemd angezogen - zu aufgedreht, um gleich ins Bett zu gehen - und über einen kleinen Arbeitseinsatz in der Bibliothek nachgedacht. Aber dann war der Impuls übermächtig geworden, mit jemandem zu reden, der ihr sagen konnte, ob sie übergeschnappt war. Oder sich einfach nur ein bisschen auszuweinen.
Es klickte und Carson sagte: »Flann? Alles okay? Ist was passiert?« Sie klang müde und Flannery bekam ein schlechtes Gewissen.
»Habe ich dich aus dem Bett geholt? Es tut mir so leid, leg auf. Es ist nichts, ich wollte nur mal mit jemandem reden, der noch alle Tassen im Schrank hat.«
Carson lachte. »Also, da bin ich. Nein, ich war noch wach. Jamie hat uns heute ziemlich auf Trab gehalten und ich hole ein bisschen Bürokram nach.«
Sie sprachen ein bisschen über familiäre Dinge, dann fragte Carson: »Nun sag schon. Was macht dein seltsamer Graf?«
Die harmlose Frage reichte, um bei Flannery alle Dämme brechen zu lassen. Zu ihrer eigenen Verblüffung fing sie an zu weinen, während sie von ihrem Ballabend erzählte. Ihre Schwester machte beruhigende Geräusche und sagte endlich, als Flannery sich die Nase putzte und für den Ausbruch entschuldigte: »Komm nach Hause, Kleines. Ich weiß nicht, was der Typ mit dir anstellt, aber es macht mir Angst, dich so zu erleben. Das ist nicht gut, Liebes, das kann dir Kendal nicht bezahlen!«
»Ist schon gut«, wehrte Flannery ab. »Das ist mir so peinlich, entschuldige. Ich bin nur müde und verwirrt und wahrscheinlich hab ich einen kleinen Schwips. Vergib mir. Mach dir bitte keine Sorgen!«
Die Stimme ihrer Schwester klang ärgerlich: »Flann, sei nicht dumm. Der Mann ist ein Psychopath und du solltest sehen, dass du von dort wegkommst, ehe er irgendwas mit dir anstellt ... was weiß ich ...«
Flannery konnte ihr nur recht geben. »Carson«, sagte sie, »ich weiß nicht, was mit mir los ist. Wenn ich in seiner Nähe bin, wird mein Gehirn zu Vanillepudding. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann eine solche Wirkung auf mich hat und ich komme mir so unendlich albern vor.«
»Das ist auch nicht meine kleine Schwester«, erwiderte Carson. »So kenne ich dich nicht. Setzt er dich vielleicht unter Drogen?« Sie lachte, um der Frage ihre Schärfe zu nehmen, aber Flannery hörte die echte Sorge in ihren Worten.
»Carson«, sagte sie so nüchtern wie möglich, »alles ist gut. Ich wollte dich nicht aufregen und wahrscheinlich -
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