Toskanische Verführung (German Edition)
den Abend mit Phil Lamont ein wenig formeller zu kleiden. Nicht, weil Phil das erwartete, sondern weil sie den Anschein »Geschäftstermin mit anschließendem Essen« wahren wollte. Auch, wenn dies wahrscheinlich ihr letzter Tag im Hause della Gherardesca war, wollte sie ihn mit Anstand hinter sich bringen.
Inzwischen war das Bedauern über das Ende dieser Episode einer gelinden Erleichterung gewichen. Sie würde Phil mit gutem Gewissen den Rat geben, die Bibliothek anzukaufen und damit war ihr Auftrag erledigt. Kendal wäre zufrieden und alle glücklich.
Bis auf Alessandro della Gherardesca.
Flannery vertrieb die Gedanken an den unglücklichen Grafen. Sie hatte zu oft heute an den Moment in ihrem Zimmer denken müssen, an seine Umarmung, an ihre Reaktion auf seine Berührungen - an sein Gesicht, wie er vor ihr auf dem Boden kniete.
Sie bürstete mit energischen Strichen ihr Haar und steckte es zum Knoten. Dann prüfte sie ihr Make-up. Dezent, nicht auffällig, aber gepflegt. Phil liebte es so. Sie lächelte sich im Spiegel an. Er hatte ihr einmal eine Ohrfeige versetzt, weil sie »wie eine Zwei-Dollar-Nutte« geschminkt und gekleidet am Frühstückstisch erschienen war. Seine Reaktion war natürlich vollkommen überzogen gewesen und er hatte sich später höchst zerknirscht dafür bei ihr entschuldigt. Vorher hatte sie allerdings zwei Wochen nicht mit ihm gesprochen, sich in ihr Zimmer eingeschlossen und damit gedroht, auszuziehen.
Flannery gluckste und legte etwas dunkleren Lipgloss auf.
Sie hörte, wie ein Wagen vorfuhr und kurz darauf der Türgong ertönte. Pünktlich auf die Minute.
Sie lief die Treppe hinunter. Dawkins hatte bereits geöffnet und Phil stand in der Halle und sah sich um, während ihm Dawkins seinen Hut, die Aktentasche und den leichten Mantel abnahm. Flannery verharrte einen Moment, um Phil Lamont in Ruhe zu mustern, während er noch wartend dort stand. Sie hatte ihn über ein Jahr nicht mehr gesehen. Er hatte sich kaum verändert, sein Haar war ein wenig grauer, der dichte Schnurrbart beinahe weiß. Aber seine Schultern waren immer noch breit und gerade, seine Haltung die eines Sportsmanns, sein Gesicht hatte eine dezente Bräune und seine Augen unter den buschigen Brauen waren klar und blau wie der Himmel über Martha's Vineyard. Er hatte sie entdeckt und sah sie an. Seine Miene, die ernst und ein wenig besorgt gewesen war, erhellte sich zu einem breiten Lächeln. Flannery erwiderte es und lief die restlichen Stufen hinunter. »Phil«, rief sie. »Wie freue ich mich!« Sie war sich der Gegenwart des Sekretärs bewusst, der gerade per Hausanlage seinen Herrn von der Ankunft des Gastes benachrichtigt hatte und nun dezent einige Schritte beiseite ging. Aber sein Blick war auf Phil und Flannery gerichtet und sie wusste, dass ihm kein Detail ihrer Begrüßung entgehen würde. Deshalb verzichtete sie auf eine Umarmung und reichte Phil nur ihre Hand, die er mit einem Zwinkern ergriff. »Flannery«, sagte er mit seinem tiefen Bass. »Mein Mädchen, du siehst gut aus. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht ...«
»Du hast dich von Carson verrückt machen lassen, gib es nur zu«, erwiderte sie und hob die Hand, um ihm kurz über die Wange zu streichen. »Ihr seid schrecklich, alle beide. Ich bin schon ein großes Mädchen, ich kann gut für mich allein sorgen.«
»Kannst du das?«, fragte er leise und ließ ihre Hand los, um sich umzudrehen. Flannery hatte die Schritte auch gehört und wich ein wenig zurück, obwohl sie sich am liebsten an Phils Arm gehängt und ihren Kopf an seine Schulter gelegt hätte, um sich von ihm trösten zu lassen. Großes Mädchen? Immer, wenn sie in Phils Nähe war, mutierte sie wieder zum Teenager ...
»Mr Lamont? Seien Sie herzlich willkommen. Della Gherardesca«, stellte Alessandro sich vor. Er sah angegriffen aus, fand Flannery mitfühlend.
Phil schüttelte Alessandros Hand und sah ihn dabei so scharf und prüfend an, dass Flannery sich räusperte. »Phil, es ist schön, dass du selbst vorbeikommen konntest, um dir die Bibliothek einmal anzusehen«, sagte sie eilig.
Phil Lamont entließ den Grafen aus seinem bohrenden Blick und warf Flannery ein Lächeln zu. »Ich bin sehr gespannt«, sagte er. »Signor della Gherardesca, danke für die Einladung. Wollen wir uns kurz ein wenig unter vier Augen unterhalten, ehe ich mir von Ms Gardner Ihre Bibliothek zeigen lasse?«
»Phil«, sagte Flannery warnend. Alessandro warf ihr einen fragenden Blick zu, dann nickte er und
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