Toskanische Verführung (German Edition)
Er hat Flannery bedroht. Ich brauche deine Hilfe, Ruggiero. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Ich komme«, sagte der Arzt und fügte beruhigend hinzu: »Leg dich hin, Sandro. Schließ die Tür ab und warte, bis ich bei dir bin. Ich bringe etwas mit von dem, was … Hugo braucht. Ganz ruhig, mein Junge. Alles wird gut.«
Alessandro starrte seine Hand an. Sie war so fest zur Faust geballt, dass die Nägel in seinen Handballen schnitten. Es tat weh, aber er konnte den Griff nicht lockern. »Ich kann mich nicht einfach einschließen«, sagte er mühsam und verfluchte den Alkohol, der seine Gedanken wirr und trübe machte. »Ich glaube, er ist verrückt. Wenn er ihr etwas antut … ich kann ihn doch nicht …«
»Doch, das kannst du!«, sagte Ruggiero hart. »Hör auf mich! Leg dich hin, schließ die Tür ab. Warte auf mich. Wenn du dir Sorgen machst, weck Dawkins, damit er auf die Frau aufpasst. Hast du mich verstanden, Sandro?«
»Ja«, flüsterte Alessandro. »Ja, ich habe dich verstanden.« Er legte auf und ließ den Kopf auf Tischplatte sinken.
Nach einigen rauen Atemzügen richtete er sich wieder auf und griff nach dem Hörer der Hausanlage. Er drückte den Rufknopf und sagte, als Dawkins sich nicht weniger verschlafen meldete als gerade der Arzt: »Gehen Sie zu Gardners Zimmer. Wecken Sie sie nicht, aber passen Sie auf, dass niemand dort hineingeht. Niemand! Haben Sie verstanden?«
Dawkins bejahte. Er klang befremdet, aber Alessandro wusste, dass der Sekretär blind befolgen würde, was er ihm aufgetragen hatte.
Er sank zurück in seinen Sessel, schloss die Augen und fluchte. Welcher Teufel hatte ihn geritten, zwei Gläser Whisky zu trinken, an die er nicht mehr gewöhnt war? Er war betrunken wie ein Schuljunge nach seinem ersten Schnaps.
Er stand auf und ging zur Tür. Zögerte. Ruggiero hatte gewollt, dass er sich einschloss. Warum? Ihm drohte doch keine Gefahr. Wahrscheinlich war auch Flannery in Sicherheit und all dies nur ein übler Traum, eine Verirrung seines Geistes. Hugo. Er konnte mit Alessandro tun, was er wollte. Alessandro war Wachs in den Händen seiner dunklen Hälfte. Zu groß die Schuld. Er konnte sich nicht gegen seinen Bruder zur Wehr setzen. Seinetwegen hatte Hugo Schreckliches erleiden müssen. Er selbst war der Glückliche, er wandelte im Licht, erfreute sich eines gesunden und starken Körpers, eines friedlichen Geistes. Zumindest redete er sich das ein. Alles war gut und friedlich gewesen, bis Flannery Gardner hier aufgetaucht war und alles durcheinander gebracht hatte. Sie hatte den zerbrechlichen Frieden so gnadenlos zerstört, so restlos in kleine Fetzen gerissen. Und jetzt … was jetzt?
Mit einer entschlossenen Bewegung drückte er die Türklinke hinunter und verließ das Zimmer.
30
Flannery erwachte, weil ein unangenehm kalter Luftzug vom Fenster über ihren bloßen Körper strich. Ihre Decke lag zu einem unordentlichen Haufen geknüllt halb neben dem Bett und ein Windstoß schien die Tür zum Balkon aufgestoßen zu haben. Sie setzte sich fröstelnd hin und hob die Decke auf. Sie wickelte sich hinein, setzte ihre Füße auf den kühlen Boden und tappte zur Tür, um sie zu schließen.
Der Blick in den sternklaren Himmel ließ sie verharren. Es war ein atemberaubend schöner Anblick, der sie traurig und glücklich zugleich stimmte. Sie dachte an Alessandro und der Gedanke machte sie noch trauriger und gleichzeitig so glücklich, dass sie lächelte, als sie sich umdrehte und ins Zimmer zurückging.
Es war finster wie in einem Keller. Sie tastete sich zum Bett zurück und stieß dabei hart gegen die Kante des Nachttisches. Das Geräusch des Stoßes erzeugte ein Echo, eine Art Knarren oder Kratzen, das sich seltsam anhörte. Flannery blieb erstarrt stehen und umklammerte die Bettdecke, in die sie sich gehüllt hatte. Atmete da jemand?
»Wer ist da?«, fragte sie.
Keine Antwort, aber sie war sich mit einem Mal vollkommen sicher, nicht mehr allein im Zimmer zu sein. Sie tastete nach der Nachttischlampe, aber ihre Finger stießen nur gegen das Wasserglas und beförderten es vom Tisch. Wasser spritzte über ihre Füße, das Glas rollte über den Boden. Flannery fluchte und drehte sich zur Tür, statt weiter nach dem kleinen Lampenschalter zu suchen. Der Lichtschalter neben der Tür war auch im Dunkeln nicht zu verfehlen.
Sie griff danach und schnappte erschreckt nach Luft. Eine Hand umklammerte ihr Handgelenk, zog sie an einen Körper. Jemand hielt ihr den Mund zu. »Nicht
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